Der Bregenzerwald zeichnet sich vor allem durch sein facettenreiches Kunsthandwerk aus, das über Jahrhunderte gewachsen ist und sich weiterentwickelt hat. Hier sind noch viele kleine Familienbetriebe zu finden, die der industriellen Produktion bis heute versuchen, die Stirn zu bieten.
Theater Mutante geht in den Austausch mit Industrie und Einzelbetrieben. Darf filmisch einen Einblick erhalten in Arbeitsvorgänge und persönliche Geschichten. Es stellt sich die Frage: was passiert, wenn diese auf hunderte Jahre zurückgehende handwerkliche Tradition keinen Anschluss mehr bei jungen Menschen findet?
Vielleicht ist hier die Kunst gefragt, der performative Akt, um Problematiken plastisch darzustellen, Konflikte zu ergründen, Vorurteile zu entlarven und Lösungen zu erträumen.
Von 02. Februar bis 11. Februar füllt Theater Mutante den Werkraum mit der Aufarbeitung der Recherche für das Projekt handverlesen. Diese beinhaltet folgende Komponenten: Musikalische Theaterperformance, Film, Ausstellung, Workshops und ein Podium. Die Interviews mit rund 30 Handwerker:innen und Großbetrieben aus dem Bregenzerwald und dem Rheintal wurden aufgearbeitet und mit den Schüler:innen der Musikmittelschule Lingenau in eine musikalische Theaterperformance gebracht. Ausgewählte Passagen der Interviews wurden zu einem Film verarbeitet, der über die Dauer der Ausstellung im Werkraum zu sehen ist. Parallel dazu stehen die einzelnen Interviews auf portablen Abspielgeräten im Werkraum zur Verfügung. Der/die Hörer:in kann im Werkraum verweilen oder in der naheliegenden Umgebung, lauschend spazieren.
Musikalische Theaterperformance:
Die beiden jugendlichen “digital natives” X und Y befassen sich nicht wirklich mit der Mühsal der körperlichen Arbeit. Rohstoffe kennen sie nur als Items einer Online-Welt, in der alle Bedürfnisse des Avatars per Knopfdruck befriedigt werden. Der Weg vom Ausgangsmaterial zum Endprodukt ist ein nebulöser Vorgang, außerhalb ihrer imaginären Komfortzone.
Wenn der Hunger groß und die Bestellhotline des Lieferservice tot ist, werden die Jugendlichen mit der Begrenztheit ihrer analogen Fähigkeiten konfrontiert.
Was nützt ihnen ihre virtuelle Qualifikation in einer Welt voller physischer, emotionaler und materieller Herausforderungen?
Handwerk und sonstige körperlich belastende Arbeiten werden zwar in der Praxis stark benötigt, ihre gesellschaftliche Reputation entspricht aber keineswegs ihrer lebenspraktischen Relevanz. In dieser sozialen Setzung gilt nur derjenige etwas, der in formaler Bildung zumindest die Matura erreicht hat. Kommt auch noch hinzu, dass heutige Jugendliche lebensweltlich auch immer weniger in Kontakt mit handwerklicher und körperlicher Arbeit kommen.
Sich im Handwerklichen spielerisch auszutoben, um dabei ein mögliches Talent oder Interesse zu entdecken, ist kaum mehr möglich. Wie soll da also Lust und Interesse entstehen?
Audiovisuelle Ausstellung:
Die Ausstellung wird in Form einer auditiven Reise stattfinden, begleitet von dem Film, welcher ab 04.02. im Zuge der Ausstellung ganztägig gezeigt wird. In der filmischen Aufnahme wird man rund 30 Handwerker:innen sehen, welche einen Einblick in Ihre Arbeit geben. Danach kann individuell von den Besucher:innen entschieden werden, welchem Handwerk man nähere Beachtung schenken will. Alle im Film vorkommenden Handwerker:innen und Vertreter:innen der Industriewurden interviewt. Diese Aufnahmen werden über ein tragbares Audiogerät (Discman oder MP3-Player) separat für die Besucher:innen zur Auswahl zur Verfügung stehen. Somit kann in die jeweilige Geschichte, im einzigartigen architektonischen Ambiente oder spazierend durch die naheliegende Umgebung, eingetaucht werden.
Workshop:
Theater Mutante möchte die Möglichkeit geben, sich auch aktiv dem Handwerk zu widmen, Neues zu erkunden oder vielleicht Altes zu perfektionieren. Der zweiteilige Workshop bietet Gelegenheit, sich den Wurzeln des Handwerks zu nähern, eine sinnliche Beziehung zum Material einzugehen, sprichwörtlich “anzupacken”. Margit Denz entführt uns in die Welt der Töpferei. Am 07.02. werden im Werkraum kleine Küchenutensilien getöpfert. Am 09.02. lernen wir mit Roland Huber die Kunst des Backens im Holzofen. Die Teilnehmer können ihre selbst erzeugten Backwaren auf ihren getöpferten Tonschalen schneiden und arrangieren.
Podium:
Abgerundet wird die interdisziplinäre Schaustellung rund ums Handwerk mit einer Podiumsdiskussion am 11.02.
Mit Angelika Atzinger vom Verein Amazone, Wolfgang Maschek, baute das schnellste das Flugzeug der Welt, Kurt Bereuter vom Vorholz-Institut, Bernadette Rüscher und Walter Lingg vom Barockbaumeister Museum wird das Handwerk in einer offenen Runde betrachtet. Moderation: Martin Dechant
Im Anschluss wird die letzte Aufführung der musikalischen Theaterperformance gezeigt.
handverlesen
02.02.- 11.02. Werkraum, Andelsbuch, Bregenzerwald
- Konzept: Theater Mutante
- Regie, Film, Bühne, Gesamtleitung, Recherche: Andreas Jähnert
- Text, Skript, Dramaturgie: Bernadette Heidegger, Andreas Jähnert
- Produktionsmanagement, Regiemitarbeit: Beate Buchsbaum
- Produktionsmanagement, Kommunikation: Lisa Perner
- Performer: Sascha Jähnert, Andreas Jähnert
- Chorleitung: Ingrid Held
- Chor, Instrumentalisten: 4. Klasse der Musikmittelschule Lingenau
- Film- Audioschnitt: Benno Hanke
- Animation: Stefan Janisch
- Grafikdesign: Sophie Kindermann
- Musikalische Theaterperformance: 02.02.2023/ 04.02. / 08.02./ 10.02./ 11.02. jeweils um 19:30 Uhr
- Filmpremiere: 04.02.2023 um 17:00 Uhr
- Audiovisuelle Ausstellung: 04.02. – 11.02.2023
- Workshop: 07.02., 11 Uhr, Töpfern mit Margit Denz/ 09.02., 15.00 Uhr, Backen im Holzofen mit Roland Huber
- Podium: 11.02. um 17:00 Uhr, mit Angelika Atzinger, Wolfgang Maschek, Kurt Bereuter, Bernadette Rüscher, Walter Lingg