2.000.000 Bücher sind eine ganz schöne Menge. Mindestens so viele befinden sich im Besitz des in Rankweil-Brederis wohnhaften Kurt Arnoldini, seines Zeichens Sammler von allem Gedruckten. Er betreibt wohl das aktuell letzte und einzige Antiquariat des Landes.
Von Bandi Koeck
Vor drei Jahren hat sich der Lebenstraum des 72-jährigen Kurt Arnoldini erfüllt. Neben seinem Einfamilienhaus konnte er mit Unterstützung seiner Familie ein wunderschönes Gebäude für seinen Bücherbasar errichten. Zuvor befand sich dieser ebenfalls in Brederis, doch jener Standort wird vom Besitzer seitdem anders genutzt.
Reine Kopfsache
Im hölzernen Gebäude befindet sich eine riesige Auswahl an Büchern aller Art. Jedes Buch wird fein säuberlich gereinigt oder gar liebevoll restauriert: „Mit befreuchteten Mikrofasertüchern grundreinigen, abschaben, Eselsohren entfernen und schließlich einordnen“ erklärt mir Kurt den Prozess. Hinter seinem Schreibtisch tummeln sich Bücher wie Werkzeuge. Dass in all dem eine Extraportion Herzblut steckt, versteht sich von selbst. Der Bücherbasar ist nach einem gut durchdachten Konzept aufgebaut: Beim Eingangsbereich befinden sich jeweils aktuelle Bücher, etwa zu Advent oder Weihnachten. Die weiteren Bücher sind nach Kategorien und dann alphabetisch geordnet. „Ich bin schneller wie ein Computer“ schießt es aus dem charismatischen Bücherwurm heraus. Er hat alle Autoren und Titel in seinem Kopf – und nirgendwo sonst aufgeschrieben. Das sei für ihn eine Art Gehirnjogging und halte ihn jung, gibt mir der Pensionist zu verstehen. Ich teste ihn sogleich: Virginia Wolf. Und prompt, zeigt er mir alle Titel, welche er von der bekannten Autorin vor Ort in Brederis hat. Vielleicht war das ja ein Glückstreffer, denke ich mir. Ich nenne ihm nun den Vorarlberger Autor Michael Köhlmeier. Kurt läuft los zu einem der vielen Holzregale und zeigt mir alle Bücher, die er von Köhlmeier hat. Wir passieren das Kinderregal und streifen Namen wie Brezina, Blyton oder Nöstlinger. Die allermeisten Bücher gibt es zum Schlagerpreis von zwei bis drei Euro. Viele Stammkunden schauen regelmäßig vorbei. Kurt führt eine sog. Suchwunschliste. Jahrgangsbücher stehen bei den Kunden ganz oben, aber die Titelwünsche an sich sind sehr unterschiedlich. Der zweifache Familienvater und ehemalige Büroangestellte wendet seine gesamte Freizeit auf, um seiner Leidenschaft zu frönen. „Ich schaue nur sehr selten Fern“ gibt er zur Erklärung. Auf meine Frage, ob denn bei dem Einsortieren noch Zeit fürs Lesen selbst bliebe, entgegnet er: „Ich lese ja untertags viele Buchrücken und Klappentexte. Bücher selbst lese ich meistens von Mitternacht bis ein Uhr, also vor dem Einschlafen.“
Wohlbehütete Schätze
Dass so etwas keinen bis kaum Gewinn abgibt, liegt auf der Hand. „Ich kann nur einen Bruchteil meiner hohen Kosten erwirtschaften.“ Neben den dreißigtausend Büchern im Bücherbasar liegen noch mehrere hunderttausend verschiedener Druckwerke in diversen Lagerhallen in Gisingen, Meiningen sowie in zwei Lagern in Tosters. Ich möchte eines dieser Lager unbedingt mit eigenen Augen sehen. Kurt verdunkelt die Jalousien der Fenster im Bücherbasar, um seine Schätze vor schädigendem Sonnenlicht zu schützen, und wir fahren los.
Im Lager in Tosters angekommen trifft mich fast der Schlag: Wohin das Auge reicht stapeln sich Bananenschachteln, die vollgefüllt mit Büchern und zu kolossalen Türmen gestapelt sind. Sie reichen vom Boden bis zur Decke und vom Eingang über alle Seiten des großen Lagergebäudes hinweg. Kurt Arnoldini arbeitet mit eigenen Codes, um die vorsortierten Bücher wieder zu finden. Auf den Schachteln steht etwa „Lit./Rom./Sp.“ was für etwas wie „Romanliteratur – Spannung“ steht. Wir passieren mehrere Schachtelgänge, streifen vorbei an Frauenliteratur, Prosa, Sci-Fi also Science-Fiction. Plötzlich ist Kurt verschwunden. Ich finde ihn wieder in einer anderen Ecke. Er möchte einfach so viele Bücher wie nur möglich besitzen, auch Sprachen wie Türkisch, Russisch oder Chinesisch sind darunter, ganz aktuelle Titel wie „Game of Thrones“ aber auch Arztromane und dutzende Vorarlbergensien. Vor über 30 Jahren fand der erste Bücherbasar im Klosterhof in Altenstadt statt, das war quasi der Grundstein. Und seit 30 Jahren gibt Arnoldini Dublette an den Arbeiter-Samariter-Bund für deren Großen Bücherbasar ab. Der Gedanke der Nachhaltigkeit für die Umwelt ist ihm wichtig. Nicht mehr lesbare Bücher schenkt er den Pfadfindern Rankweil für die Altpapiersammlung.
Arnoldinis ausgeprägte Sammelleidenschaft betrifft primär Papier und Drucksorten, zu denen auch Lesezeichen oder Heiligenbildchen zählen. Doch woher kommen all die vielen Bücher? „Bis vor 15 Jahren habe ich Restposten aufgekauft“ so Arnoldini. Heute bringen alle möglichen Menschen Bücher zu ihm. Sein leidenschaftliches Hobby sei Belastung und Bereicherung zugleich. Ein Besuch in Arnoldinis Bücherwelt ist auf jeden Fall lohnenswert und etwas Besonderes. Auf die Frage, was einmal nach ihm mit all diesen Schätzen passiere, weiß er keine wirkliche Antwort. So bleibt zu hoffen, dass Arnoldini noch ein langes Leben voller Gesundheit beschert ist und sich dann eines Tages jemand Gleichgesinntes findet, die sein Werk fortführt.
Zur Person:
Kurt Arnoldini
- Geboren am 20 Mai 1950
- verheiratet, zwei Söhne, vier Enkel
- Ich wünsche mir: Mehr Zeit zum Einlesen
- Lieblingsliteratur: Spirituelle Bücher
Bücherbasar Rankweil
- Madlenerweg 35, 6830 Rankweil-Brederis
- Öffnungszeiten: Mittwoch 9 bis 11, Freitag 15 – 20, Samstag 10 – 13 Uhr
- Kontakt: Tel. 05522 74668
- E-Mail: arnoldini@gmx.net
Toller Bericht Bandi…von einem ganz besonderen Menschen…kenne ihn sehr gut – uns verbindet schon seit Jahrzehnten eine Freundschaft….er lebt seinen Traum – und zwar Tag und Nacht….
Tolle Story, sympathischer Mann