Erstversorgungsambulatorien (kurz: EVA) sind Ordinationen, die den Fachambulanzen von Spitälern vorgelagert sind. Die Ziele sind eine Entlastung der Fachambulanzen durch die Versorgung von nicht dringenden Fällen in der EVA sowie eine treffsichere Patientenlenkung durch rasche Überführung von dringenden Fällen in die entsprechenden Fachambulanzen.
„Das EVA ist kein zusätzliches medizinisches Versorgungsangebot, sondern dient der richtigen Zuteilung von Patienten, die ohne Termin das Krankenhaus aufsuchen“, verdeutlichen Dir. Dr. Gerald Fleisch und Prim. Dr. Peter Fraunberger, Geschäftsführung der Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsgesellschaft. Sehr viele Menschen kämen mit kleinen gesundheitlichen Beschwerden ins Krankenhaus, obwohl das oft gar nicht nötig wäre. Dafür ist eine niedergelassene Praxis bestens ausgestattet. „Das ist eine große Herausforderung für uns. Denn der Andrang auf die Spitalsambulanzen bindet unsere Krankenhausmitarbeitenden. Diese haben dadurch weniger Zeit für all jene Patienten, die tatsächlich das spezialisierte und umfassende Behandlungsangebot eines Krankenhauses brauchen.“
„Die Vorarlberger Krankenhäuser bieten ein sehr gutes fachmedizinisches Angebot“, betont Landeshauptmann Wallner. „Für eine optimale Gesundheitsversorgung braucht es jedoch nicht nur gute Strukturen und die besten Ärzte, sondern eine funktionierende Patientenlenkung. Mit dem Erstversorgungsambulatorium gibt es nun ein zusätzlich wichtiges Steuerungsinstrument innerhalb des Krankenhauses, das die Fachambulanzen entlasten wird.“ „Die Erstversorgungsambulanzen ergänzen den niedergelassenen Bereich mit Öffnungszeiten an Wochenenden und Feiertagen sowie in den Abendstunden. Damit leisten sie einen zusätzlichen Beitrag zur lückenlosen Versorgung unserer Versicherten“, freut sich Dr. Christoph Jenny, Vorsitzender des Landesstellenausschusses der ÖGK in Vorarlberg.
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Die Funktion des EVA
Führt nun ein gesundheitliches Problem Betroffene ohne Termin ins LKH Bregenz, warten sie ab 1. Oktober 2024 nicht direkt vor einer der Fachambulanzen auf ihre Behandlung, sondern werden erst im EVA, dessen Personalkosten in etwa zu gleichen Teilen von Land und Sozialversicherung finanziert werden, untersucht. Diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal bewertet zunächst, wie dringend eine Behandlung erfolgen muss. Die Wartezeit bis zur ärztlichen Untersuchung hängt dann von der Einstufung der Dringlichkeit ab: Bei kleinen Beschwerden gibt es längere Wartezeiten, schwerere Fälle werden rascher oder auch sofort weitergeleitet und haben auf jeden Fall eine sehr viel kürzere Wartezeit. Die ärztlichen Untersuchungen führen dann Allgemeinmediziner durch. „Die Idee, die dringenden von den nicht dringenden Fällen herauszufiltern, ist im LKH Bregenz tatsächlich nicht neu, sondern seit einigen Jahren gelebte Praxis – und das hat sich bewährt“, berichtet Chefarzt Prim. Univ. Prof. Dr. Christian Huemer. „Mit dem Erstversorgungsambulatorium haben wir dieses System nun auf eine neue Ebene gehoben, organisatorisch gut eingegliedert und auch eine strukturelle Kooperationsmöglichkeit mit der Österreichischen Gesundheitskasse erreicht.“
Für die meisten Patienten ändert sich damit nicht viel. Es sind vor allem Personen mit kritischen Gesundheitsproblemen, die vom EVA als Zwischenschaltung zu den Fachambulanzen profitieren: Sie werden bevorzugt behandelt und können direkt auf die richtige Fachabteilung im Krankenhaus überwiesen werden. Ab diesem Zeitpunkt sind sie als Patienten im Krankenhaus aufgenommen. Alle anderen, nicht dringenden Fälle werden nach ihrer Erstversorgung im EVA wieder entlassen. Sollte es eine Nachbehandlung brauchen, werden die Patienten in eine hausärztliche Ordination überwiesen.
Wie die Einstufung der Dringlichkeit funktioniert
Die Bewertung erfolgt nach einem erprobten, internationalen Standard – dem Manchester Triage System (kurz: MTS) – durch speziell geschulte diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger. Das MTS unterscheidet zwischen fünf verschiedenen Dringlichkeitsstufen von nicht dringend bis hin zu sofort, wonach sich dann die Zeitspanne orientiert, innerhalb derer die Behandlung stattfinden soll. Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass ca. 70 Prozent der EVA-Patienten keine Krankenhausuntersuchung bräuchten, die restlichen 30 Prozent benötigen tatsächlich die spezielle Versorgung einer Fachambulanz im Krankenhaus bzw. werden stationär aufgenommen.
Medizinisches Versorgungssystem richtig nutzen
„Weil ein Großteil jener Patienten, der ohne Termin in die Notfallambulanz kommt, eigentlich keine hochspezialisierte Versorgung durch Krankenhausfachärzte braucht, müssen wir bei der Patientenlenkung gut nachschärfen“, unterstreicht Landesrätin Martina Rüscher. Das beinhalte neben der Installation von wirksamen Verteilungsstrukturen wie dem EVA, auch die stärkere Bewusstseinsbildung bei den Patienten. Denn: „Einen ganz wichtigen Part im Funktionieren der Patientenlenkung spielen die Patienten selbst.“
Grundsätzlich gilt: digital vor ambulant vor stationär. Zunächst gibt es die telefonische Gesundheitsberatung 1450, die von diplomiertem Gesundheitspersonal in der Rettungs- und Feuerwehrleitstelle betreut wird. Die geschulten Fachleute helfen bei der Einschätzung des Gesundheitszustandes und empfehlen weitere Maßnahmen. Die Behandlung in der hausärztlichen Ordination ist die nächste Stufe und die Versorgung durch hochspezialisierte Fachbereiche im Krankenhaus bzw. die stationäre Aufnahme ist erst der letzte Schritt.
„Mit den langjährigen Erfahrungen im LKH Bregenz, unter anderem durch die Entwicklung des Konzepts einer Ambulanten Ersteinschätzungs-Ambulanz und nun dem Erstversorgungsambulatorium, das daraus entstanden ist, ist uns eine gute Steuerungsmöglichkeit gelungen, die Patienten an die richtige Versorgungsstelle in unserem Gesundheitssystem zu leiten. Nach diesem ersten Schritt wird das Patienten-Aufkommen evaluiert und die notwendigen weiteren Maßnahmen gesetzt. Die Planungen dafür laufen bereits im Hintergrund. Die Ausweitung des Projekts auf weitere Landeskrankenhäuser wird derzeit ausgearbeitet“, so Martina Rüscher.