SOV: Weisheiten über die Liebe und ein rachedurstiger Patrizier
Im Play-Lead-Format führt Kolja Blacher am 9. und 10. April 2022 das SOV durch die fünfte Abo-Produktion dieser Saison. Er dirigiert und spielt die Solo-Violine in Bernsteins Serenade nach Platons „Gastmahl“. Außerdem auf dem Spielplan stehen Werke von Beethoven und Haydn. Zweimal bilden literarische Texte die Grundlage der Kompositionen.
Als antiken Poetry Slam kann man etwas flapsig das Trinkgelage bezeichnen, das der griechische Philosoph Platon zu Papier gebracht hat: Würdige Athener Herren halten nacheinander Lobreden über die Liebe. Beispielsweise beschäftigt sich Eryximachos mit „der körperlichen Harmonie als wissenschaftlichem Modell für die Formen der Liebe“. Dieses Zitat stammt vom US-amerikanischen Komponisten Leonard Bernstein, der dieses berühmte Gastmahl in Musik übersetzt hat. Seine Serenade für Solo-Violine, Streicher, Harfe und Schlagwerk steht im Zentrum des fünften Abo-Konzerts des Symphonieorchester Vorarlberg.
Bernstein: mehr als Schlager
„Ich bin ein Komponist ernster Musik, der versucht, Songs zu schreiben. Ich hatte eine Symphonie komponiert, bevor ich je einen Schlager schrieb“, sagte Bernstein, den viele nur mit seiner berühmten „West Side Story“ assoziieren. Die Uraufführung dieser Serenade fand am 12. September 1954 im Teatro La Fenice in Venedig, der Solist war Isaac Stern. Formal ist bei diesem Werk ein großer Unterschied zu Violinkonzerten der klassischen und romantischen Epoche zu erkennen: Während damals noch das Orchester das Hauptthema vorstellte, fällt die Rolle des „führenden Sprechers“ bei Bernstein dem Solisten zu.
In Feldkirch und Bregenz ist Kolja Blacher der Solist, der das SOV nach dem Konzept des Play-Lead führt. Neben seinem Solo-Einsatz dirigiert er vom Konzertmeisterpult aus. Der 59 Jahre alte Berliner studierte an der renommierten Juilliard School in New York und arbeitete mehrere Jahre als 1. Konzertmeister bei den Berliner Philharmonikern unter Claudio Abbado. Von 1999 bis 2009 lehrte Kolja Blacher an der Hamburger Musikhochschule. Seither unterrichtet er als Professor für Violine an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin.
Dramatisches Trauerspiel
Eröffnet wird das Konzert mit Beethovens Ouvertüre „Coriolan“ aus dem Jahr 1807. Erneut liegt der Musik ein Text zugrunde; dieses Mal ein deutlich dramatischerer. In Heinrich Joseph von Collins gleichnamigem Trauerspiel geht es um den tief gefallenen Patrizier Coriolan. Früher wurde er von seinem Volk verehrt. Doch nach der Verbannung aus Rom will er sich rächen und belagert seine Heimatstadt. Seine innere Zerrissenheit endet im Selbstmord. Ludwig van Beethoven packte die gesamte Geschichte des Trauerspiels in ein kurzes, einsätziges Orchesterstück.
„Weit seiner Zeit voraus“
Weiter im Programm geht es mit Joseph Haydns (1732 – 1809) dritter von insgesamt zwölf Londoner Symphonien. Für Kolja Blacher ist sie „schon durch die Tonart c-Moll spannend, sie hat einen wunderbaren zweiten Variationssatz und ist unglaublich originell, wie Haydn seiner Zeit immer schon sehr weit voraus war“. Haydn nahm damals, im Jahr 1791 einige Reisestrapazen auf sich, um nach London zu kommen. Über zwei Wochen war er unterwegs. Doch sein Mut sollte sich lohnen. Seine Konzertreise wurde zum durchschlagenden Erfolg.
Sein Kollege Mozart war skeptisch gewesen und hatte Haydn vor den zu erwartenden Verständigungsschwierigkeiten gewarnt. Doch Haydn entgegnete: „Meine Sprache versteht die ganze Welt.“ Davon kann sich auch das Publikum am 9. und 10. April überzeugen. Es hat lange auf dieses Konzert warten müssen: Ursprünglich war es für den September 2020 vorgesehen und wurde dann nur einen Tag vor dem ersten Termin abgesagt.