Bauen und Wohnen ist mit Null- oder Plusenergiegebäuden schon heute klimaschonend möglich. Trotz Wirtschaftlichkeit wird der Stand der Technik nur selten realisiert. In Europa entfällt mehr als ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen auf die Errichtung und den Betrieb von Gebäuden. Beim Klima-Hock von KlimaVOR! regten Experten wie Hermann Kaufmann und Dietmar Lenz Korrekturen von Förderpolitik und Bautechnikverordnung als Treiber für die Vorarlberger Energieautonomie an. Sie fordern einen sukzessiven Ausstieg aus der Einfamilienhaus-Förderung, höhere ökologische Mindeststandards und an ökologische Kriterien gebundene Förderungen für verdichtetes Bauen, Sanierung, Umnutzung und Nachverdichtung.
50 Prozent weniger CO2-Emission, 50 Prozent erneuerbare Energie und 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen bis 2030: Die Zwischenziele der Vorarlberger Energieautonomie sind ohne ein massives Umdenken im Gebäudesektor unerreichbar. Rund ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen entfällt allein auf die Errichtung und Nutzung von Gebäuden. Mit dem Aus von Öl- und Gasheizungen ist es noch lange nicht getan. Lösungen liegen bereits auf dem Tisch: Emissionsarme Baustoffe, effiziente Gebäudehüllen und erneuerbare Energieträger ermöglichen schon heute die wirtschaftlich rentable Realisierung von Null- oder Plusenergiegebäuden. In Verbindung mit einer ökologisch orientierten und stark geförderten Sanierung, Nachverdichtung, Bestandnutzung und -aufwertung könnten Emissionen im Gebäudesektor rasch und nachhaltig gesenkt werden.
Falsche Förderanreize, veraltete Denkmuster und ungenügende Mindeststandards in der Vorarlberger Bautechnikverordnung verhindern den Weg zur Energieautonomie: Darin waren sich die Experten beim jüngsten Klima-Hock des Vereins KlimaVOR! in der Dornbirner Mohrenbrauerei einig. „Null- oder Plusenergiegebäude sind Stand der Technik, aber noch lange nicht Standard. Wenn wir die Klimaziele wirklich ernst nehmen, muss sich das ändern. Denn davon profitieren wir alle“, erklärte Architekt Hermann Kaufmann. „Das Land Vorarlberg ist gefordert, langfristig kostenoptimales Bauen als Mindeststandard in der Bautechnikverordnung zu verankern.“
Stopp für Einfamilienhaus-Förderungen im Neubau
Zement, Beton, Stahl und Glas: Die Baubranche verursacht vor allem beim Neubau hohe Emissionen. Dazu kommen Bodenversiegelung und Bauabfall. Das Verhältnis ist besonders bei Einfamilienhäusern problematisch. Neben der Hinwendung zum Holzbau, emissionsarmen Baustoffen und zirkulären Bauweisen braucht es ein zukunftsweisendes Förderwesen, so die Expert:innen. „Wir müssen radikal umdenken – im Sinne der Umwelt und der Leistbarkeit. Die Förderung von Einfamilienhäusern ist aufgrund der Kosten mit den sozialen Zielsetzungen nicht mehr vereinbar, daher sollten alle Fördermittel in leistbares Wohnen, also verdichtetes Bauen, Sanierung, Umnutzung und Nachverdichtung fließen – gekoppelt an hohe ökologische Standards“, forderte Kaufmann.
Zirkuläres Bauen für die Zukunft
„Es ist nicht damit getan, emissionsarm zu bauen und alle verfügbaren Dach- und Wandflächen für Photovoltaik zu nutzen. Gebäude müssen langlebiger, flexibler und vor allem zirkulärer werden. Wir müssen Baustoffe und -teile künftig wiederverwenden oder -verwerten. Da stehen wir ganz am Anfang. Die Transformation gelingt nur, wenn wir im Kleinen beginnen“, ist Dietmar Lenz von AnBau – Agentur für nachhaltiges Bauen, überzeugt. Die Diskussionsrunde war sich einig: Das neue Bauen und Wohnen wird anders werden, aber sicher nicht schlechter.