Holocaust-Gedenktag 2024 an der Oberschule Eschen
Seit vielen Jahren wird an der Oberschule Eschen anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktags vom 27. Januar eine Gedenkveranstaltung für alle Lernenden veranstaltet. Dieses Jahr wurde von den drei Lehrpersonen Arno Brändle, Verena Brunner und Benjamin Koeck der Fokus auf die während der Shoah von Nationalsozialisten und deren Helfern ermordeten jüdischen Kindern gelegt.
Text und Fotos: Bandi Koeck
Die Aula des Schulzentrums Unterland ist gefüllt mit Schülern der sechsten bis achten Schulstufe und ihren Lehrern. Es ist mucksmäuschenstill, wie es sonst nur selten bei einer so grossen Ansammlung von Jugendlichen der Fall ist. Auf der Bühne ein in dezenten Pastellfarben gezeichnetes Bild, das symbolhaft alle Kinder zeigen soll, welche zwischen 1939 und 1945 gezielt getötet worden sind. Im Hintergrund ertönen die Klänge der Titelmusik von Steven Spielbergs „Schindlers Liste“. Ethiklehrerin Verena Brunner beginnt zu lesen: „Das ist Eva Heymann. Sie wurde am 13. Februar 1931 in Ungarn geboren und wuchs bei ihrer Mutter auf. Eva war ein sensibles, humorvolles Mädchen. Sie war lebenslustig und liebte es, Pläne für ihre Zukunft zu schmieden.“ Auf der Leinwand erscheint ein Portraitfoto dieses lebenslustigen Mädchens, das sie im Alter vieler Schüler aus Liechtenstein zeigt. Die gleichaltrige Schülerin Anastasia liest eine Passage aus Evas Tagebuch: „Liebes Tagebuch, du bist das Glücklichste auf der Welt, weil du nicht fühlen kannst, du kannst nicht wissen, welche schreckliche Sache uns passiert ist. Die Deutschen sind gekommen…“ Die anderen Jugendlichen hängen ihr sprichwörtlich an den Lippen.
Kein Platz für Juden
Die nächste Folie zeigt den selben Hintergrund, doch das Mädchen ist verschwunden. An ihrer Stelle ist eine schmutzig-weisse Leere getreten, welche für den Betrachter kaum auszuhalten ist. „Aber hier wird nicht eher wieder Ruhe einkehren, bis Hitler tot ist. (…) Dieser Mann wird nicht so schnell sterben.“ Das nächste Kind, das ein weiteres Beispiel für das Schicksal unzähliger ermordeter Kinder ist, ist Yitzhok Rudashevski, der in der polnischen Stadt Wilna lebte, bis die deutsche Armee mit ihrer erbarmungslosen Verfolgung der dort lebenden Juden begann. Der 15-Jährige hatte gerade sein erstes Jahr im Gymnasium abgeschlossen. Der Schüler Dario liest dessen Gedanken: „Alles ist viel zu plötzlich passiert. Ich gehe auf die Schule zu. Die Schule ist mit Siegeln verschlossen.“ Auch sein Bild verschwindet auf der Leinwand, wie er von einem Tag auf den nächsten verschwunden ist. Dann kommt Hannah Gofrith, die heute in Tel Aviv lebt, mit der Stimme einer anderen Schülerin zu Wort: „Der Schuldiener sagte zu mir: ‚Das geht nicht. Du bist eine Jüdin und Juden haben kein Recht, zu lernen. In dieser Schule ist kein Platz für Juden.“ Die Schüler hören von Gesetzen, welche nach und nach die Rechte von jüdischen Mitmenschen beschränkten und sie deren Freiheit und Eigentum beraubten. Besonders mitfühlend zeigen sich viele Schüler als sie erfahren, dass die Nazis auch das bitter zusammengesparte Fahrrad von Eva beschlagnahmten, an dem sie so sehr hing. Auch das Schicksal des 17-jährigen Mosches aus Ungarn, der sich durch die Zwangsverordnung, einen gelben Davidsstern tragen zu müssen, gedemütigt fühlte, war für viele aufwühlend.
Für eine bessere Welt
„Es ist unmöglich, der eineinhalb Millionen Kinder zu gedenken, die ermordet wurden. Diese Zahl ist monströs, buchstäblich unfassbar. Wir können an jene Kinder denken, die wir heute durch ihre eigenen Worte ein wenig kennengelernt haben- und wir können versuchen, eine bessere Welt zu errichten“ waren die abschliessenden Worte der Ethiklehrerin. Sila las das Gedicht „In tausend Jahren“ von Anna Lindtova, das sie mit 12 Jahren in Theresienstadt geschrieben hatte. „Ich wünsche mir, dass in tausend Jahren sich kein Kind mehr dafür schämen muss, dass es anders ist.“ Und weitere Schüler brachten ihre eigenen Wunschträume vor: „Ich wünsche mir, dass in tausend Jahren jedes Kind in einer Welt ohne Krieg und Konflikte aufwachsen kann und kulturelle und religiöse Unterschiede gefeiert und respektiert werden.“ Auf der letzten Folie stand „NIE WIEDER!“ – die Hoffnung besteht.