Von Albert Wittwer
„Support the heroic imagination“, in meiner Küchenübersetzung: Pflege die Vision von derjenigen, die du sein willst. Wer von sich die Vorstellung hat, er sei freundlich, gütig, wohlmeinend, gerecht, der wird diese Eigenschaften erlangen. Ebenso ist der Weg des Kriegers bei Castaneda nicht kriegerisch, sondern mutig und selbstmitleidsfremd. Ist der Weg der falsche, so mag die Kriegerin abbiegen, sich vorsichtig neu orientieren. „Ihr Herz navigiert ohne Anstoß und Irrung“.
Wie sehr bewundere ich die israelischen Militärs, Frauen und Männer! Sie sind Angehörige der zweiten Gewalt, der Exekutive, also Regierung/Militär/Polizei/Verwaltung. Und sie streiken gegen die dramatische Entmachtung der dritten Gewalt, der Justiz. Ein unerhörter Vorgang. Sie riskieren ihre Karriere, sie wollen, daß sich die Regierung, die dem Militär befiehlt, nicht außerhalb der Kontrolle des Höchstgerichtes stellen kann. Welche Zivilcourage. Denn anders als Arbeiter in der Fabrik haben Exekutivorgane kein Streikrecht.
Im Kanton Neuenburg, kaum zweihundert Kilometer von Österreich entfernt, fegt ein Tornado mit mehr als 200 Stundenkilometern über Städte und Dörfer. Derweil deklamiert unser Kanzler im Ton eines Leutnants vor Rekruten, was er für normal hält. Jedenfalls keine Verringerung der Geschwindigkeit für Automobile.
Eine bedeutende Partei hält es für opportun, die Menschenrechte aufzuweichen. Das wird bei den fremden Bettlern nicht enden. Als „frönde Bettler“ bezeichnete man in Zeiten des Heimatrechtes, vor den Menschenrechten, jeden außerhalb seiner Gemeinde, in der er mit etwas Glück heimatberechtigt war. So was Ähnliches will eine bedeutende Partei auch in Österreich wieder einführen. Solange wir dem Beispiel Israels, das die Gerichte entmachten will, nicht folgen, dürfen wir die Demokratie und ihre Gewaltenteilung in Wachsamkeit weiter erleben und verteidigen.
Klar, das klebende Verzögern des Automobilverkehres ist eine kleine Tat, ein kleiner, ziviler Ungehorsam. Die Kleber, so hört man, sollen doch arbeiten. Das täten sie sicher, hätten sie eine Perspektive. Wie wir Älteren sie in unserer Jugend durchaus hatten und verwirklichen konnten. Wer mag ihnen übelnehmen, daß sie an der Perspektive der Wirtschaft, in die sie sich einbringen sollen, angesichts der Gegenwehr der Natur, zweifeln?
Die modernen Heldinnen und ihre Kollegen leben das trotzige Dennoch. Sie arbeiten am Verdorbenen, nicht in Bullshit-Jobs, bejammern nicht die Arbeitsbedingungen: „Ach die vielen Kinder, die zu betreuen, ach die vielen Patienten die zu heilen sind, die vielen Wiesen, die zu mähen sind, ach die vielen hohen Prominenten, gegen die wir mühsam ermitteln müssen“. Sie sehen den Erfolg ihrer Arbeit, finden Anerkennung, Kollegialität, können von ihrer Arbeit – hoffentlich – in Würde leben. Sie lassen sich nicht davon beirren, daß die Regionalnachrichten stündlich von belanglosen Sportereignissen berichten und auswechselbare Baustein-Interviews mit prominenten Sportlern abspulen, die vermeintlich im Erfolg leben. Oder leben würden, wenn es über die Reklamebotschaft hinaus eine Bedeutung hätte. Denn „es gibt kein richtiges Leben im falschen*)“.
Die echten Helden belächeln die Influencer, die Herzoginnen und TV-Stars , sie nehmen die Prominenz als billiges, recherchefreies Zeitungs- und Medienfutter wahr, als oberflächliche Unterhaltung von keinerlei Nachahmungswürdigkeit.
Die modernen Helden sind womöglich die Helden von früher: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ **)
Anmerkungen:
Philip Zimbardo: sh. Das „heroic imagination projectd“
Castaneda: Die Lehren des Don Juan
I Ging: „Die Arbeit am Verdorbenen hat erhabenes Gelingen“, 18 Gu
*) Theodor Adorno
**) Martin Luther zugeschrieben