Fulminant. Ihr Name ist Programm, wenn man ihn hört, weiss man, dass einem Qualität erwartet. Endlich war die Schweizer Poetry Slammerin mal wieder im Ländle und hat das Publikum des SAL erneut begeistert.
Von Bandi Koeck
Dass deutsche Sprache nicht nur schwere Sprache ist, sondern sehr viel Spass machen kann und Dinge zum Ausdruck bringen, die von humorvoll-heiter bis tragikomisch-ernst reichen, das wissen nicht nur eingefleischte Fans des Dichterwettkampfs, der sich Poetry Slam nennt, sondern all jene, die schon mal in den Genuss einer Hazel Brugger gekommen sind. Ob ein Goethe, Schiller oder gar Shakespeare auch ihre Freude an so einem Plappermaul gehabt hätten? Mit höchster Wahrscheinlichkeit.
Wia an grusiga Sextourist
Hazel Brugger ist eine Person, die sich selbst ankündigt und dabei bereits nach dem ersten Satz tosenden Applaus erhält. Das bunt gemischte Publikum, grösstenteils Schweizer, folgten ihrem Dielsdorfer-Stern nach Schaan. Ihre Eltern hätten sie Hazel genannt und den Hund Helena. Das einzig spannende, das passiert sei, als sie eine Jugendliche gewesen sei, sei eine Leiche im Katzensee gewesen. Die Ouvertüre des True-Crime-Fans Hazel war Mord. Gleich zu Beginn interagierte sie mit dem Publikum auf ihre locker und lässigen Art, als wäre es ein Dialog mit altbekannten Freunden. „Ich fühle mich wie ein Fussballfan, der keine Ahnung hat. Wie ein Liechtensteiner Nationalmannschaftsfan: Sieben Leute, mehr gibt es nicht, und alle stehen im Goal“ zeigte sich die Zürcherin nicht wortkarg. Mittlerweile lebe sie mit ihrem Mann in Deutschland. Sie sei gerne verheiratet, würde aber weniger gern über Ehe sprechen, weil sich eh niemand dafür interessiere. „Das Wort Ehe isch so gruusig“ verkündete sie. „‘Mein Mann‘ tönt auch nicht so schön, das klingt wie ein Haustier, das man entdeckt hat und das vom Aussterben bedroht ist.“ Brugger bezeichnet ihre Ehe als „gemischte Ehe“, da ihr Gatte Deutscher und sie als Schweizerin die „Südländerin“ wäre. „Man weiss nie, welches Gefühl ich als nächstes nicht habe.“ Über ihren Mann brachte sie zudem in Erfahrung, dass er „so richtig deutsch“ sei, dass es ihr unangenehm sei. Er sehe so deutsch aus, man sehe es ihm förmlich an. „I heb net Händle mit eam i da Schwiiz, denn i chum mir vor wia an grusiga Sextourist. Wia jemand, der sich z’Lindau jemand krallt hätt.“ Über ihren blonden und blauäugigen Gatten, der ein Gesicht wie ein Holzhacker habe und nie lache, sprach sie ganz schön lange. „In acht Jahren hat er dreimal gelacht. Alle drei Mal war es auf der Autobahn, wenn ein Fahrer mit Schweizer Kennzeichen vor uns geblitzt wurde.“
Bier ist Brot zum Trinken
Nachdem die drei grössten Unterschiede zwischen Deutschland und dem Rest der Welt geklärt waren (Lichtschalter zu Toiletten befinden sich ausserhalb, wenn man umzieht nimmt man seine Küche mit und der hohe Stellenwert von Brot) lernte das Publikum zudem, dass der Name Pumpernickel das Geräusch sei, wenn man versuchen würde, das dunkle Brot runterzuschlucken. „Die krassesten Tiere der Welt sind deutsche Enten, die fressen hartes Brot. Ausserhalb von Deutschland sind Enten fröhliche Singvögel, in Deutschland sitzen sie nur auf dem Teich“ so Brugger. Bier sei für sie auch nichts anderes als Brot zum Trinken. Ihre Zöliakie hindere sie, beides zu konsumieren. „Meine Familie sagt, es sei etwas psychologisches und dass ich nur Aufmerksamkeit wolle. Doch die habe ich doch, denn ich reise in Länder, in denen Leute nicht mal wissen, dass es Länder sind: Liechtenstein.“ Der zweite Seitenhieb zum Fürstentum war gemacht.
Die Gras pflückende Vagina
Die 180 cm grosse Powerfrau mit blonder Mähne liebt es, mit ihrem Publikum zu agieren, einfach auf Teufel komm raus zu palavern. Sie stellt dann unglaublich viele Fragen. Doch anfangs lief es nicht ganz nach ihren Vorstellungen: „Ihr sind so schüch. Ab einem gewissen Steuersatz können die Leute nicht mehr aufstreckn.“ Und da war er auch schon, der dritte Seitenhieb. Der vierte folgte sogleich: „Ihr mögan es, wenn es ärmere Lüüt git.“ Nun verriet die 28-jährige, dass sie just im Top CC, ihrem persönlichen Las Vegas, mit pandemiegebeutelten Uelis flirten würde. Nun gelang es ihr, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen, etwa über Walhaitauchen, Gleitschirmfliegen oder das Kinderkriegen. Letzteres war auch das grosse Thema des letzten Drittels ihres Programms. Hazel bewies, dass sie reden kann wie ein Buch und sich dabei sicher kein Blatt vor den Mund nimmt: „Meine Brüste sehen aus wie zwei längsgestreifte Damenstrümpfe, die jemand mit Birchermüsli gestopft hat.“ Neben vielen anderen waren ihre intimen Geständnisse über den Körper nach der Geburt ihrer einjährigen Tochter, welche sie sehr bildhaft beschrieben hat, die Highlights des Abends. Jetzt ist bekannt, dass sie zwar keine Lesbe ist, aber nur knapp auf Männer steht, der Geburtsvorbereitungs- wie Rückbildungskurs esoterisch angehaucht war und sie Polizisten auf Pferden „hot“ findet, jene auf E-Bikes hingegen weniger. Eselbesitzer unterlassen es wohl fortan, ihre Tiere mit Pferden zu kreuzen und dass Frau mit der Vagina Gras pflücken kann, das war wohl vielen Frauen auch neu. „Oben kommt Milch raus, unten wird wiedergekaut.“
Wer ist also diese Frau, diese Hazel Brugger? Hazel ist spontan und kann zu jedem Thema einen aktuellen Bezug einbauen. Genau so geht Improvisation. Ihre Gabe, frei von der Leber zu palavern, über alles mögliche zu philosophieren und Alltagsdinge anzusprechen, die aus ihrem Mund in eine ganz andere Perspektive gerückt werden, ist sehr beeindruckend. Hazel ist einfach – einzigartig – genial.