von Mermax Randler/ 4.11.20
Dass der Attentäter von Wien falsch eingeschätzt wurde, ist eine Tatsache. Offenbar schaffte der Dschihadist es mühelos die Behörden zu täuschen und die Fassade eines einsichtigen jungen Mannes aufzubauen, der sich vom Extremismus abgewendet hatte. Dies wird dem österreichischen Justizwesen nun ebenso vorgeworfen, wie die Tatsache, dass Kujtim F. vorzeitig aus der Haft entlassen worden sei.
Nachträglich ist man allerdings immer klüger und in den Kopf eines listigen Schurken lässt sich nun einmal nicht hineinblicken. Da die nominalen Auflagen für eine verfrühte Haftentlassung erfüllt waren, ist nicht einzusehen, warum ihm diese nicht hätte gewährt werden sollen. Wieso dies in künftigen Fällen, in denen sich fanatische IS-Begeisterte plötzlich als geläutert darstellen, nicht mehr so ohne Weiteres durchgewunken werden darf, ist die bittere Lektion, die es aus dem Horror dieser Montagnacht zu lernen gilt.
Von einem ganz anderen Kaliber ist allerdings der Vorwurf, der aufgrund einer Mitteilung aus der Slowakei erhoben werden muss: Die Behörden des Nachbarlandes haben ihre österreichischen Kollegen darüber in Kenntnis gesetzt, dass Kujtim F. und ein weiterer potentieller Gefährder in diesem Sommer eine große Menge Munition kaufen wollte.
Damit würde die Verantwortung für ein viel größeres und folgenreicheres Versäumnis ausgerechnet in die Verantwortung des Innenministers fallen, der gerade eben noch der Justiz Vorhaltungen machte.
Dabei hat die offensichtlich verschlampte Warnung aus Bratislava eine viel schwerwiegendere Dimension als der Vorwurf, dass ein islamischer Gefährder vor dem Gesetz gleich behandelt wird, als jeder andere überführte Kriminelle auch:
Der – angeblich reuige – IS-Sympathisant ist dabei beobachtet worden, wie er sich genau jene Art von Material zusammen zu kaufen versuchte, mit dem er seinen blutigen Anschlag durchführen konnte. Somit hat das Versäumnis der zuständigen Behörde (sei es nun BVT oder Polizei) nichts mehr damit zu tun, dass man in dunkle Seelen nun einmal schlecht hinein sieht. Sondern dann ist das eine schreckliche, eine fatale Form von verantwortungsloser Schlamperei.