Von Dr. Albert Wittwer
Die Hinweise auf Malversationen bei Wirecard und bei der Bank Mattersburg kamen schon vor geraumer Zeit von Insidern, von Mitarbeitern. Sie wurden ignoriert. Der Schaden für die Anleger bei Wirecard, ehemals unter den dreißig kapitalstärksten Unternehmen Deutschlands, und für die Kunden bei der Commerzbank Mattersburg ist enorm.
In Österreich ermittelt die Polizei ausführlich zu den sogenannten Hintermännern von Ibiza, liefert an die Staatsanwaltschaft und dann an das höchste gewählte Staatsorgan, das eine Demokratie aufweisen kann, das Parlament und seinen Ausschuß, zögerlich teilweise geschwärte Dokumente. Vergessen wir nicht: Diese „Hintermänner“ und die falsche Oligarchin sorgten nur für die Bühne. Das Script und Regie führten die Unbehelligten, an denen immerhin eine bis dahin stabile Regierung stürzte. Aber sie begingen Verrat, indem sie die Bereitschaft hoher politischer Funktionäre zu gigantischer Veruntreuung öffentlichen Gutes entlarvten.
Der Whistleblower hat keinen guten Ruf. Man liebt den Verrat, nicht den Verräter. Ist es ein bedeutendes Unternehmen, das die Fehler begeht, besteht die Neigung, die Hinweise als Querulantentum abzutun. Zu unangenehm ist es, den hohen Herren eine zusätzliche, genauere Untersuchung zuzumuten.
Egal, ob es eine Untat, eine riesige Unterschlagung in einem hoch angesehenen Unternehmen, eine großangelegte Steuerhinterziehung ist, die verraten wird. Oder eine Strategie in einem gerechtfertigten Verteidigungskrieg. Der Whistleblower ist ein Insider, ein Stammesangehöriger, der die Loyalität zu seinem Unternehmen oder seiner Volksgruppe verletzt. Für ihn gilt das „unsere Ehre ist Treue“ nicht unbedingt. Oft verletzt er die Treue aus ethischen oder rechtlichen Gründen, manchmal aus Gewinnsucht, gelegentlich aus beidem gleichzeitig. Wir sehen, der Whistleblower ist eigentlich kein typischer Verräter, die Verratenen stecken ihn nur in denselben Topf. Edward Snowden, Chelsea Manning und Julian Assange lassen grüßen. Sie haben historisch zu nennende Verdienste für die weltweite Zivilgesellschaft geleistet. Ihr Vergehen war formaler Geheimnisverrat, sie haben veröffentlicht, daß die US-Regierung die persönlichen Daten, Korrespondenz, Telefonate von abertausenden, unverdächtigen Zivilpersonen strafrechtswidrig ausspioniert hat. Snowden verbringt seine Tage fern der Heimat im Moskauer Exil, Assange schmort medizinisch schlecht versorgt in britischer U-Haft. Chelsea Manning verbrachte sieben Jahre in Militärhaft, bis sie vor einem Jahr von einem couragierten Gericht befreit wurde.
Legendär sind die Verräter im Finanzsektor. An dieser Stelle müssen wir unsere Aufzählung auf eine Auswahl beschränken. Wer will, kann in Wikipedia allerdings seitenlang die gruseligen Details nachlesen. In der Liechtensteiner Steueraffaire (mehrere hundert Steuerverfahren in D und Ö), dem UBS-Datenklau (Verleichssumme € 300 Mio), der Affaire Christoph Meili (Vergleichssumme 1,28 Millarden Dollar) wurden die Verräter jeweils von der Schweizer Justiz unbarmherzig belangt. Christoph Meili wurde dann als einziger Schweizer Bürger von den USA als politisch Verfolgter eingebürgert. Besser organisiert waren die Whistleblower der Panama-Papers und der Paradise Papers. Sie sollten für den Ökonomie-Nobelpreis nominiert werden.
Nicht jeder Verräter ist ein Whistleblower.
PS
Das Whistleblower-Portal in Österreich (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) : https://www.bkms-system.net/bkwebanon/report/clientInfo?cin=1at21&c=-1&language=ger
Es soll im Fall Commerzbank M. auch benützt worden sein. Allerdings folgenlos.
Aber immerhin.
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Herzlichen Dank für diesen wirklich interessanten Bericht. Es sollte mehr solche Männer und Frauen mit Zivilcourage geben. Auf Netflix empfehle ich passend zum Thema den Spielfilm „Inside Wikileaks – die dunkle Seite“ Über das Leben von Julian Assange
Klasse Bericht