Von Dr. Albert Wittwer
Wenn der Ibiza-Scriptschreiber-Hauptdarsteller wieder alle Titelseiten besetzt. Statt die Untersuchungshaftzelle.
Ein Gutteil der Krise, in der sich unsere Demokratie nach Darstellung der Politologen befindet, ist durchaus auf die Gepflogenheit auch von Qualitätsmedien zurückzuführen, politische Pseudoinformation zu verbreiten. Wohlgemerkt: Nicht Falschnachrichten, neudeutsch Fake-News, auch nicht „alternative Fakten“, sondern Kaffeesud. Wer die Berichte der letzten fünf Jahre über MeinlBank/Buwog/Hypo-Alpe-Halldordria usw. nicht lückenlos memorieren kann, hat keine Ahnung, wovon der vermeintlich tagesaktuelle Artikel handelt. Es gibt Qualitätsmedien, die eine fixe Kolumne für den amtierenden US-President einrichten.
Warum schreibe ich „für“? Weil es ihm dienlich ist, auch seinen kleineren Verwandten im Geiste nützt. Das schlimmste für einen Politiker ist es, nicht bemerkt zu werden. Besser ein Verriß als unbeachtet. Ist er nicht dreimal wöchentlich in den Medien, hält er sich für tot. Sie entschuldigen wieder die männliche Form. Die Damen müssen sich noch sehr anstrengen? Nein, sie brauchen es nicht, die bewundernswerten Regierungschefinnen in Deutschland, Neu Seeland, Island, Estland, Dänemark und anderswo. Sie schaffen es ohne Klamauk, ohne klerikale Inszenierung! Es ist also möglich.
Der Staatliche Rundfunkt leidet in den Hauptnachrichten sowieso an Übermoderation: „Wie ist denn die Stimmung in London/Brüssel/Rom/Berlin/der EU“ bildet für mich eine qualifizierte Einladung, den Sender zu wechseln. Denn die Einladung an die residierende Korrespondentin vor dem Weißen Haus oder dem Buckingham-Palast vor laufender Kamera zu salbadern, ist zu verlockend. Die Queen ist „not amused“. Man denke!
Warum tun die das? Weil man es verkaufen kann, weil es gelesen wird, weil es unsere Vorurteile behaglich bestätigt? Aber wir möchten doch in Wahrheit echte Information, wirkliche Hintergründe. Brauchen wir die Politiker, um uns zu unterhalten?
Sie tun es, weil es bequem ist. Anstrengungsloser, recherchefreier Content. Die Auslandskorrespondenten könnten genausogut von Wien aus einige – sagen wir – englische oder amerikanische Texte im Internet lesen oder hören, um das zu produzieren. Wäre aber für sie weniger lustig. Davon gibt es Ausnahmen, etwa Carola Schneider aus Moskau, Christian Wehrschütz aus Kiew. Eines der schlimmsten Schicksale muß es sein, als politischer Tagesjournalist sein Brot zu verdienen, während gefühlt hundertfünfzig Kollegen das „Wording“ für die Pressekonferenzen des Kanzlers eines Kleinstaates inszenieren. Immer noch ein Renner: Persönliche Entfaltung dank neurolinguistischer Programmierung.
Warum ist Pseudoinformation für die Demokratie gefährlich? Unsere Aufmerksamkeit ist begrenzt. Wie wir darauf angewiesen sind, die Daten auf den Lebensmittelpackungen nicht lesen zu müssen, sind wir als Demokraten darauf angewiesen, daß die Redaktionen einen guten Job machen.
Die Oligarchennichte auf Ibiza war falsch. Echt, von niemand suggeriert und offenbar straflos war der Versuch, zack, zack, zack, die nach Auflage bedeutendste österreichische Tageszeitung unter direkten, persönlichen politischen Einfluß zu bringen. Wer hätte bezahlt? Wir alle, mit zusätzlichen Pseudoinformationen abgespeist, unsere Republik durch die Verscherbelung unserer öffentlichen Wasserversorgung und getürkte Bauaufträge.
Du hast so was von recht! Und wir alle machen uns mitschuldig. Vor vielen Jahren, als das Privatfernsehen in Deutschland erst aus dem Ei kroch, gab es da diesen Witz: Woran erkennt man den wahren Intellektuellen? Antwort: Er schaut die Tagesschau nur im Dritten Programm.
In diesem Sinne: Umschalten!