Der „Shutdown“, der unser gesellschaftliches Leben lahmlegt, unsere unmittelbare Begegnung mit Kunst und Kultur verunmöglicht, physischen Austausch zum Tabu macht, reduziert uns auf rudimentäre Bedürfnisbefriedigung. Die Bedeutung von Gasthäusern, Lokalen, Restaurants, Bars oder Würstelständen – weit über Essen und Trinken hinaus – als Orte des Dialogs und sozialer Begegnung, sind unbestritten.
In den vergangenen neun Wochen, in denen wir nicht ausgehen, nicht die Freundin zu einem Glas Wein treffen, nicht am Stammtisch eine Verschwörung planen oder den Kellner anbaggern konnten, wäre es hoch an der Zeit gewesen, unserer Lieblingsbeiz oder dem Kaffeehaus mit Erinnerungen ein literarisches Loblied zu singen?
Vorarlberger Autoren schrieben über ihr Lieblingslokal. Gsi.News veröffentlicht die Texte – mit dem heutigen Start publizieren wir täglich einen weiteren Text von einem Gsi-Autor zu einem Lokal in Gsiberg. „Nach dem Shutdown treffen wir uns vor Ort und besuchen eine Lesung“ freuen sich Sabine Benzer und Marie-Rose Cerha vom TAS.
Eva Maria Dörn: Gasthaus Löwen in Bludenz
Oh, du mein …
wie habe ich dich vermisst in all den Tagen der Einsamkeit, in Stunden der bedrohlichen Stille, in den Minuten der grenzenlosen Sehnsucht nach meinem Lieblingsplatz am Fenster! Wie habe ich mir unsere abermalige Begegnung erträumt, in den vielen Momenten der leisen Hoffnung. Auf die gleiche Weise wie vermutlich auch du litt ich, ja schmerzte mich die Tatsache unseres bedingungslosen Getrenntseins.
Es gab Tage, da irrte ich getrieben vom Alleinsein, wie eine streunende Straßenhündin heimlich übers menschenleere Pflaster, bis ich mich rastlos vor deiner Türe fand. Dort musste ich einer grausamen Realität ins Auge sehen: „Geschlossen!“ und „Bleiben Sie gesund!“
Ob ich unter diesen Umständen gesund bleiben kann, bezweifelte ich, denn von Tag zu Tag mehr nagte mein Verlangen nach einem gewichtigen Gespräch bei einem guten Glas Wein, nach gemeinsamem Lachen, nach Gemütlichkeit und Feierabend.
Ich mag mich nicht mehr erinnern an jene Tage, als ein Verweilen bei dir unmöglich war; mag nicht mehr warten, auf dieses wohlige Gefühl des Willkommenseins und auf die charmante Umarmung deiner Gaststubenwände. Die Zeit wird nah – sie ist da!