Wer aufmerksam durch Vorarlbergs Städte und Gemeinden wandert, geht im Ortsgebiet an vielen Brachen – brav gewidmet, gelegen im Baumisch-, Gewerbegebiet, vorbei. Manchmal sind sie noch mit Ruinen bestückt.
Von Dr. Albert Wittwer
Warum sie nicht längst revitalisiert, bebaut, benützt sind? Zum einen sind sie teurer als ein neu aus Landwirtschaftsfläche gewonnenes Grundstück. Den Widmungsgewinn, durchaus die Hälfte des Liegenschaftspreises im Vergleich zur brachliegenden Fläche, teilen sich Landwirt und Wirtschafts-Käufer. Wir haben ja auch einen Ruf als Versiegelungsmeister zu verteidigen.
Zum anderen möchten wir nicht wissen, welche Altlasten im Boden begraben sind. Man war ja in der Vergangenheit nicht zimperlich mit dem Ableiten von Abwässern aus Farben, Chemikalien usw. Ältere erinnern sich an die früher dominanten Textilbetriebe oder auch die Spanplattenfabrik im Walgau, Formaldehyd und eine unglaubliche Feinstaubwolke wurden toleriert. Die Baureifmachung kann durchaus den Preis der Bodenfläche verdoppeln. Aber wir erkennen, daß ein weiterer Naturverbrauch mehr kostet als jemand – meist „die Wirtschaft“ – an Geldwert gewinnt.
Die Immobilieninvestoren Trump und Kushner haben die Vision, in Gaza Traumstädte im Stil neuer saudi-arabischer Wüstenstädte zu errichten. Tatsächlich entwickelt das namhafte österreichische Architekturbüro Coop Himmelb(l)au dort die Retortenstädte „The Line“ und „Mukab“. Aber was haben die meeresnahen Gaza-Liegenschaften mit den Vorarlberger Industriebrachen gemein? Natürlich nichts, denn die Baureifmachung der Vorarlberger Brachen wäre ein Kinderspiel. Auch wenn sie auf sich warten lässt.
Wer die Nachrichten im Fernsehen verfolgt, sieht in Gaza mit freiem Auge ein unglaubliches Trümmerfeld, praktisch nirgends guterhaltene Gebäude oder Freiflächen. Es gibt Schätzungen, wonach vierzig Millionen Tonnen Schutt herumliegen, durchaus kontaminiert mit noch scharfer Munition und Blindgängern. Wohin damit? Die Ägypter wollen ihn nicht. Darunter sollen sich zehntausend Tunnel, alle nicht kartografiert, befinden. Für die viele Palästinenser kann das keine Heimat mehr werden. Vielleicht haben Trump und Kushner eine Idee, wo die dann leben sollen?
Bitte beteiligen Sie sich nicht am Gaza-Riviera-Immobilienfonds. Oder einem Fonds, der dort dabei ist. Der Großteil von Gaza wird – nach dem Frieden, so er denn hoffentlich kommt – der Natur überlassen, den Vögeln, Insekten, Eidechsen und kleineren Säugern. Und eines Tages den Schafe und Ziegen. Natur hat Zeit, braucht kein „Return on Investment“ von großzügigen zehn Jahren. Die reichen zu nichts.
„Du sihst, wohin du sihst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reist jener morgen ein.
Wo itzund Städte stehn wird eine Wiese seyn,
auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.“
Andreas Gryphius, 1637
Anmerkung:











