Der abstrusen Biologielehre des Aristoteles gemäß verdankt die Frau ihr Dasein einer Fehlsteuerung und eines Entgleisungsvorgangs. Sie sei nämlich ein „missglückter Mann“, „ein defekter Mann“ mit einem vor allem mit Wasser gefüllten Kopf.
Von Adi Untermarzoner
Dieses stupide Frauenbild wurde primär vom Apostel Paulus und von den Paradeheiligen der Kirche wie Tertullian, Chrysostomos, Augustinus, Hieronymus, Petrus Damiani, Albertus Magnus und Thomas von Aquin übernommen und noch verschärft. Warum werden diese Frauenverächter nicht aus dem Kanon (Verzeichnis der Heiligen) gestrichen? Die Frauenfeindlichkeit dieser pseudoheiligen Kirchenlehrer kulminierte schließlich in der unvorstellbaren Perversion des Hexenwahns und der Inquisition, denen tausende Unschuldige, primär Frauen, unter unvorstellbaren Qualen zum Opfer fielen. Der Befehl zur Hexenverfolgung kam von einigen Päpsten. Papst Innozenz VII. erließ 1484 die Hexenbulle. Er beauftragte die zwei Mönche Jakob Sprenger und Heinrich Institoris zur Herausgabe des Hexenhammers. Das ist das offizielle Handbuch für die geistlichen Hexenjäger. Im dritten Teil werden die Vorteile des Inquisitionsprozesses betont. Es brauchte kein Anklageverfahren und keine Verteidigung der meist willkürlich Diffamierten. Die beiden Verfasser berufen sich wiederholt auf den engelgleichen, heiligen Kirchenlehrer Thomas von Aquin.
Die Verlogenheit und Hilflosigkeit heutiger Theologie bei der Stellungnahme zu diesen Verbrechen wird in einer 2008 erschienenen achthundert Seiten umfassenden Apologie ersichtlich[1]. Darin wird gezielt täuschend und beschönigend argumentiert, die Hinrichtungen seien vor allem das Werk weltlicher Gerichte gewesen. Es wird einfach übergangen, dass damalige Gerichte mit den heutigen rechtsstaatlichen Gerichten, die sich an Verfassung und Menschenrechten orientieren, nichts gemein hatten. Die damaligen Gerichte vertraten die perverse, christliche, frauenfeindliche Ideologie, sie waren ideologisch nur der verlängerte Arm der Kirche. Ohne einen Funken intellektuellen Schamgefühls meint der Schreiberling, man müsse sich fragen, ob diese Hexenprozesse überhaupt etwas mit der Kirche zu tun haben.
Der kirchliche Widerstand gegen die Frauenbewegung, Frauenemanzipation und Gleichstellung der Frauen hat seine Ursache auch in der Lehre und den Dogmen über Maria. Die Idealisierung Marias als Jungfrau korreliert immer mit der Abwertung und Verdammung der Frau. Im NT spielt Maria eine relativ geringe Rolle. Bis ins dritte Jahrhundert kennt kein Kirchenvater eine dauernde Jungfräulichkeit Marias. Im Laufe der Kirchengeschichte wurde Maria weitestgehend entsexualisiert und in dieser Form der Welt als Ideal präsentiert. Das aber ist nicht der Inbegriff, sondern ein Zerrbild der Frau. Die katholische Leib-, Lust- und Sexualabwertung zeigt sich eindeutig in diesem Marienbild. Sie empfängt und gebiert ein Kind und bleibt trotzdem eine Jungfrau. Keine Lust befleckt sie, kein Penis und gewöhnliches Sperma besudeln sie. Ihr Leib, ihr Mutterschoß bleiben rein und unverletzt.
Der Mariologe Alois Müller schrieb noch 1969, dass die Versehrung der Mütter beim Gebären ein besonderes „Zeichen des erbsündlichen Fluches“ sei, der auf Müttern lastet. Unversehrt und schmerzfrei war nur Maria, während die sündige Eva und alle anderen Mütter Gottes Fluch zu spüren bekommen.
Noch in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts wurden in Vorarlberg Paare bei klerikaler Unterweisung vor der Eheschließung aufgefordert, ein Vaterunser zu beten, wenn es so weit sei. Gemeint war, wenn es zum ehelichen Vollzug kommt, denn damit war es vorbei mit dem Ideal der Jungfräulichkeit, der Reinheit. Es brach das Irdische, das Fleischliche, die Lust, das Sündhafte herein. Im Laufe der Kirchengeschichte lehrten Theologen, dass der eheliche Verkehr aus reiner Lust schwer sündhaft sei. Manche meinten, es sei nur leicht sündhaft, aber ein notwendiges Übel, das man erlauben müsse, um der hl. Mutter Kirche Nachkommen zu liefern. Berufen konnten sie sich auf den eigentlichen Gründer des Christentums, den hl. Apostel Paulus.
1 Kor. 7, 1-2 Es ist für den Mann gut, eine Frau nicht anzurühren. Doch um Unzucht zu vermeiden habe ein jeder seine Frau und eine jede ihren Mann.
1 Kor, 7, 6 – 7 Dieses sage ich aber als Zugeständnis, nicht als Gebot. Denn ich wünschte, alle Menschen wären wie ich (also ehelos).
Bis herauf ins zwanzigste Jahrhundert wurden die Frauen entsprechend bewertet.
Martin Luther: „Drumb hat das Meidlein ihr Pünzlein, dass es ihm (dem Manne) ein Heilmittel bringe, damit Pollutionen und Ehebrüche vermieden werden.
Pius XI. sieht den Zweck der Ehe darin: „…der Kirche Nachkommenschaft zuzuführen, die Mitbürger der Heiligen und die Hausgenossen Gottes zu mehren, damit das dem Dienste Gottes und unseres Erlösers geweihte Volk von Tag zu Tag zunehme…“
Bis in die 1960er Jahre wurde im Christentum die aus der Antike stammende Lehre vertreten, dass Menstruierende, Schwangere und Gebärende unrein seien. Es wurde ihnen das Betreten der Kirche und die Teilnahme an Mysterien verboten.
Die ideologischen Grundlagen der Frauenbewegung entstanden im Zeitalter der Aufklärung. Mit der Deklaration der Menschenrechte (1789) verlangte Olympe de Gouges dieselben Rechte für die Frauen. Die erste Welle der Frauenrechtsbewegung (Mitte des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts) bemühte sich um Wahlrecht und Arbeitsrecht der Frauen. Ein führender Vertreter dieser Bewegung war August Bebel. Wegen seines Buches „Die Frau und der Sozialismus“ wurde er von der Kirche massiv angegriffen und als gottloser Kommunist beschimpft. Die zweite Welle der modernen Frauenbewegung entstand in den 1960er Jahren. Vor allem Simone de Beauvoir griff in ihrem berühmten Werk „Das andere Geschlecht“ die Diskriminierung der Frau durch die Religion an. Es gab wütende klerikale Reaktionen. Glücklicherweise hatte die Kirche nicht mehr die Macht, Madame Beauvoir zu verbrennen. Das die Frauen befreiende Buch wurde von den Theologen als Pornographie beschimpft. Heute ist dessen Inhalt selbst für die meisten Kirchenmitglieder selbstverständlich und viele sehen darin typisch christliche Werteinstellungen. Nur wenige wissen, wie mühselig der Prozess zur Gleichstellung der Frau gegen den Widerstand der Kirche verlief und immer noch verläuft. Der bis 1916 gültige Codex Juris Canonici verbietet Frauen das Priesteramt. Sie dürfen nicht taufen, nicht das Corporale berühren, nicht während der Menstruation die Kommunion empfangen. Ab 1917 durften die Menstruierenden zur Kommunion. Bis in die 1960er Jahre wurde an der Aussegnung der Wöchnerinnen festgehalten. Sie waren unrein, weil sie sich fleischlicher Lust hingegeben hatten. Sobald der Klerus allerdings feststellt, dass bestimmte Lehren selbst bei den Frömmsten nicht mehr ernst genommen werden, wird stillschweigend davon abgerückt oder in typisch klerikaler Doppelzüngigkeit etwas der Zeit Gemäßes vertreten. So deutete nun der Erzbischof Gröber (mit Empfehlung des deutschen Episkopats) die Sache um: „Die Aussegnung der christlichen Mutter nach der Geburt ist ein Akt des Dankes und keine Zeremonie der Reinigung und Verzeihung.“
Die Mär, Eva habe Adam verführt, initiierte für 2000 Jahre die Vorstellung der Frau als Verführerin und Verursacherin der Erbsünde. Selbst der von den progressiven Katholiken als „Papa buono“ hochgelobte und 2000 selig gesprochene Johannes XIII. (Pontificat 1958 – 1963) schreibt: „Frauen jeden Standes, auch wenn sie mit mir verwandt sind oder heiligmäßig sind, werde ich mit achtungsvoller Zurückhaltung begegnen und jede Vertraulichkeit, jedes Zusammensein und Gespräch mit ihnen wie den Teufel fliehen, vor allem wenn sie jung sind. Ich werde auch nicht den Blick auf ihr Gesicht heften…“ Etwa 80 000 Priester haben in den letzten 20 Jahren Ihren Dienst quittiert und meistens geheiratet. Der hl. Kirchenlehrer Petrus Damiani beschreibt Klerikerfrauen als Lockspeise des Satans, Auswurf des Paradieses, Gift der Geister, Schwert der Seelen, Wolfsmilch für die Trinkenden, Gift für die Essenden, Quelle der Sünde, Anlass des Verderbens, Eulen, Nachtkäuze, Blutegel, Metzen, Buhlerinnen, Lustdirnen, Suhlplätze fetter Säue und so weiter. Die Folgen dieses Frauenhasses waren verheerend und sind es immer noch.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Mädchensport verpönt. Später mussten Frauen beim Sport lange Kleider tragen und es waren nur Sportarten erlaubt, bei denen die Beine nach unten gerichtet und beisammen waren. Noch im zwanzigsten Jahrhundert untersagten Kleriker in Vorarlberg den Frauen das Radfahren, weil es unzüchtig sei. Bis 1918 durften in Österreich nur ledige Frauen unterrichten, man wähnte sie jungfräulich. Nach dem, bis 1918 gültigen katholischen Gesetzbuch, konnte der Mann seine Frau schlagen, einsperren, anbinden und fasten lassen. Frauen galten als Besitz des Mannes, sie wurden in allen Bereichen benachteiligt, im Erbrecht, im Arbeitsrecht, im Bildungsbereich. Auch heute noch verdienen Frauen viel weniger als Männer und werden beruflich systematisch benachteiligt. Während aber in modernen Gesellschaften um die Quotenregelung gerungen wird, geht es in der Kirche immer noch konservativ weiter. Papst Wojtyla war sogar gegen Mädchen als Ministrantinnen. Trotz des gravierenden Mangels an Klerikern wird die Zulassung von Frauen zum Priesteramt kategorisch abgelehnt.
Der im Klerus als fortschrittlich gepriesene Moraltheologe Bernhard Häring behauptet trotz dieser frauenfeindlichen Situation: „In keiner Religion oder Weltanschauung ist die Frau so geachtet und verehrt wie im Christentum.“
[1] Arnold Agenendt, Toleranz und Gewalt, Verlag Aschendorf 2008