Diese „Unzahl“, die vergangene Woche medial verkündet wurde, stimmt nicht nur nachdenklich, sondern bedrückt und macht betroffen: 497 Missbrauchsopfer, die Dunkelziffer sei noch viel höher. Der lange Schatten der Vergangenheit holt die römisch-katholische Kirche einmal mehr ein.
Die Stellungnahme, welche der ehemalige Papst (er erklärte am 11. Februar 2013 in der Vatikanstadt den freiwilligen Rücktritt aus Altersgründen – somit gilt er als erster emeritierter Papst der neueren Kirchengeschichte) Benedikt XVI. alias Joseph Aloisius Ratzinger abgegeben hat, wurde selbst von vielen Kirchenoberhäuptern als verwerflich und einfach nur traurig bezeichnet. Ich selbst durfte besagten Herr im sog. „Heiligen Jahr“ 2000 im Vatikan persönlich kennen lernen. Damals war Ratzinger Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre und galt als die „rechte Hand“ seines Vorgängers, des Polen Karol Wojtila alias Papst Johannes Paul II. Damals war ich ein junger Mann mit vielen Fragen, gerade was dieses logisch nicht erklärbare „Geheimnis des Glaubens“, die sog. „Trinitätslehre“, die Dreifaltigkeit betraf und auch das Papstamt. Auf die Frage meines besten Freundes, woher die Kardinäle denn wissen würden, wen sie als „Stellvertreter Christi auf Erden“, also als den Papst im Konklave wählen, wollte er sich dieser ernstgemeinten und für uns wichtigen Frage nicht stellen. „Die Audienz ist hiermit beendet“ war alles, was er mit bitterböser Stimme entgegnete, einen ebenfalls bösen Blick uns verdatterten Rom-Pilgern entgegenschleuderte und zusammen mit seinem Nuntius mit großem Schritt davonschlich. Die Audienz bei ihm hinterließ bei mir den bitteren Eindruck von Überheblichkeit und Arroganz, öffnete meine Augen für diese unheilige Kirche und führte schließlich zur persönlichen Abkehr mit einer Amtskirche, in die ich mit meiner Geburt aufgenommen und die endlich mit meinem Austritt und dem Verlust der Missio Canonica bewusst und wohl durchdacht endete.
497 ist eine Zahl, die einfach nur ohnmächtig macht und Entsetzen verursacht. Während den vergangenen 50 Jahren – darunter fällt auch die Amtszeit von Ratzinger als Erzbischof von München und Freising – um es salopp zu sagen – einiges ziemlich schief gegangen. Niemand kann so blind, taub und unehrlich sein, dass er bei derart vielen sexuellen Übergriffen an Minderjährigen nichts unternimmt, schweigt und abstruse Ausreden verkündet. Man könnte hier noch viel mehr in die Tiefe gehen, aber dann müssten Namen wie Pater Maciel und die Legion Christi fallen. Wenn ich daran denke, dann sehe ich drei Affenantlitze vor mir: Nichts sehen wollen, nichts hören wollen und nichts sagen wollen! Das Bild, das einmal mehr auf die katholische Kirche fällt, ist leider kein neues sondern setzt die endlos lange Reihe fort, welche mit Blut, Sünde und Missbrauch Spuren über den ganzen Globus zieht.
Durch Festhalten an längst überholten und verwerflichen Traditionen, dem Umgang mit homosexuellen Menschen, mit Geschiedenen oder Wiederverheirateten, das Festklammern am Zölibat und gerade was die Sicherheit von Schutzlosen, von Kindern anbelangt, besteht hier auf staatlicher Seite schon längst Handlungsbedarf. Pädophile Geistliche werden auch heute – wie bereits vor 50 Jahren – einfach nur versetzt und nicht juristisch belangt. Auch im „subera Ländle“ gibt es eine sehr hohe Dunkelziffer und die zahlreichen Opfer werden mit ihrem Leid, mit ihren Traumata alleine gelassen!
Wer braucht denn noch länger eine Kirche, die nie aus ihren Fehlern lernt und lernen will, die Wasser predigt, aber Wein trinkt und Nächstenliebe verkündet – sie aber nicht lebt?