Von Thomas Bertram
Diese Serie wirbt damit, dass sie anspruchsvoll ist, insbesondere, dass sie ständig fragt, was ist hier eigentlich Realität, was ist Projektion bzw. Simulation? Und wer entscheidet das? Und was ist, wenn die Simulation so gut ist, dass sie die Realität 1:1 abbildet?
Und darum geht es in dieser Serie, auch wenn als roter Faden tatsächlich ein vertuschter Mord, Industriespionage, das alles angereichert mit einer Liebesgeschichte durch die insgesamt 8 Folgen leitet. Damit wäre schon einmal der erste Pluspunkt für die Serie: sie ist angenehm kurz, bläht sich und ihre Geschichte nicht weiter auf, als nötig.
Da sind Sergei (Karl Glusman) und seine Freundin Lily (Sonoya Mizuno), die beide für Forest (Nick Offerman) in dessen Technolgiefirma Amaya arbeiten. Die Firma besitzt einen Quantencomputer. Lily knackt und entwirft Codes, Sergei arbeitet an KI. Als er Forest eine Simulation eines realen Wesens zeigt, wird er umgehend in die Abteilung „Devs“ („Developments“ – Entwicklungen) befördert. Forest höchstpersönlich führt ihn dorthin, in ein total von der Außenwelt abgeschirmtes Labor mit allem Komfort. Ihm wird nicht erzählt, was dort tatsächlich getan wird, was er tun soll. Er muss es selbst herausfinden. Was er herausfindet und verbotenerweise fotografiert, ist schockierend und führt dazu, dass der Sicherheitschef Kenton (Zach Grenier) ihn kurzerhand umbringt. Ein schrecklicher Selbstmord wird vorgetäuscht. Lily glaubt nicht daran und mit Hilfe ihres Ex Jamie (jin Ha) findet sie Hinweise.
Das ist, wie erwähnt, die Rahmenhandlung. Doch es geht eben um mehr, es geht um die Frage, ob die Welt so deterministisch (vorherbestimmt) ist, dass man eine Simulation der Vergangenheit ebenso wie der Zukunft machen Kann. Und Devs tut genau das. Was für ein Jubel, als eine extrem unscharf verpixelte Aufnahme von Jesus am Kreuz für wenige Sekunden entsteht. Doch Forest will das eigentlich gar nicht, er trauert um seine Tochter Amaya, nach der er das Unternehmen benannt hat, die als übergroße, monströse Staue das Firmengelände überragt. Er will sie zurück, oder zumindest möglichst viel von ihr wieder und wieder sehen. Dem blutjungen Entwickler Lyndon gelingt der Durchbruch, aber zu einem Preis, den Forest zunächst nicht bezahlen will. Mit 10 Millionen Dollar Abfindung und der Drohung, ihn umzubringen, wenn er nicht schweigen wird, fliegt er aus der Firma. Trotzdem setzt sich sein Ansatz durch, der Ansatz, dass es mehr als eine Realität gibt. Aus Hintergrundrauschen und verpixelten Schwarz-Weiß-Bildern werden jetzt farbige Simulationen in HD-Qualität mit 1a Ton. Ab hier spätestens beginnt der anspruchsvolle Teil, was ist noch real? Gibt es einen freien Willen, wenn die Zukunft schon feststeht?
Eine grandiose Szene, wenn das Devs-Team plötzlich mit sich selbst in einer Sekunde der Zukunft (!) konfrontiert wird. Entsetzen, Unglauben, ja Panik machen sich breit. Forest und seine engste Mitarbeiterin Katie (Alison Phil) haben schon so weit in die Zukunft geschaut, wie möglich. Doch das ist gar nicht so weit, nur ein paar Wochen, zum Ende hin nur noch Tage, schließlich Stunden, letztlich Minuten vorher, sehen sie das Ende, wenn Lily sie zur Rede stellt, Forest erschießt und dabei selbst stirbt. Forest zeigt es ihr unmittelbar vorher! Wahnsinn!! Und dann wirft sie die Pistole im entscheidenden Moment weg.
Keine Bange, das ist noch KEIN SPOILER. Denn die letzte Folge geht ja noch etwas weiter und bringt so manche neue Entwicklung. Und stellt die Frage wieder und wieder: Was ist die Realität? Leben wir in einer Realität oder in einer guten Simulation – Fragen, die schon Matrix vor Jahrzehnten aufwarf? Bestimmen wir wirklich selbst, was wir tun?
Kurz gesagt: es lohnt sich wirklich. Auch, wer sich nicht ständig Gedanken machen will, ob gerade die „echte“ Geschichte läuft oder nur ihre Simulation von Devs aus beobachtet wird, kommt mit der Rahmengeschichte voll auf seine Kosten. Und für die Grübler ist es ein Fest!