Von Albert Wittwer
Warum verlieren die Sozialisten/Demokraten in vielen Staaten die Wahlen an – sie verzeihen die Vereinfachungen – populistisch agierende Politiker?
Die ersteren mögen hoch gebildet sein – Doktorinnen der Medizin (Pamela R-W.) oder hochkarätige Anwältinnen (Hillary C.). Aber sie haben vom Leben der Werktätigen keine Ahnung. Und interessiert es sie überhaupt?
Die zweiten sind Meister der Kampf-Rhetorik. Ihre wahre Agenda ist die Wohlstandswahrung vor allem der Superreichen. Hinterfragt man das, erklären sie, gehe es den Milliardären gut, nütze das auch den Werktätigen (sog. Trickle-down-Effekt). Sie sind in der Lage, die breite Wählerschicht anzusprechen, die sich originellerweise von knapp über der Armutsgrenze bis hin zu den Wohlhabenderen zur Mittelschicht zählt.
Was die Konservativen gerne thematisieren, ist die Arroganz der gebildeten Eliten. Sie kommentierten genüßlich die Maßanzüge von Bundeskanzler Schröder (SPD), der das Arbeitslosengeld im Dienste der Arbeitsmotivation verknappte. Der weiland Bundeskanzler Gusenbauer, zuvor Referent der Arbeiterkammer, verwechselte noch unter dem Gelächter der Expertinnen und Experten für feines Leben Baroso (ehem. Kommissionspräsident) mit Barolo.
In den USA ist es notwendig, das Diplom von MIT, Harvard, Yale oder einigen anderen Elite-Unis zu erwerben. Also schickt die Elite ihre Kinder lieber nicht auf die SanDiegoState-University (Rang 127). Damit können Absolventen stellvertretender Vor-Ort-Leiter im Supermarkt werden und ihre Unterlinge über Video-überwachen. Nein, das macht inzwischen die künstliche Intelligenz, also sie dürfen die Berichte der KI auswerten und Rügen oder Lob verteilen.
Damit zur Sicht der unselbständig Arbeitenden:
Die Werktätigen haben begriffen, daß das Aufstiegsversprechen, man müsse nur brav lernen, sich ständig weiterbilden und sich vor allem täglich mehr anstrengen, nicht erfüllt wird. Sie strampeln entgegen der Fahrtrichtung auf der Rolltreppe und fürchten den weiteren Abstieg ins Prekariat der Sozialhilfeempfänger. Und sie wenden sich ab.
In ihrem Frust vertrauen sie der Kampf-Rhetorik der Populisten, die ihre Ängste benützt. Besonders beliebte Verantwortliche für alles Ungemach sind, in zufälliger Reihenfolge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Die Europäische Union mit ihrer vermeintlich überbordenden, undurchschaubaren Bürokratie; die flüchtenden Menschen, die trotz „geschlossener Balkanroute“ die Städte überfremden; die unzähligen arbeitsunwilligen Arbeitslosen; die Hijab-Trägerinnen, die das Ortsbild verschandeln; die fundamentalistischen Grünen, die die weitere Bodenversiegelung (Österreich ist hier Europameister) einschränken wollen.
Was wäre zu tun?
Sich vor dem Vorwurf der Neid-Debatte nicht fürchten, „Gerechtigkeit als Fairness“ einfordern. Dazu rasch die Think-Tanks, die Partei-Akademien mit „Weniger ist Mehr“ beschäftigen, der Ökologisierung des Wirtschaftens und dem arbeitslosen Grundeinkommen, das haben die Kapitaleigentümer schon lange.