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Wer hat die Macht? Kanzler oder Staatsanwältin?

von Red
1. März 2021
in gsi.kolumne, Politik
Lesezeit: 3 mins read
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Dr. Albert Wittwer

Dr. Albert Wittwer

Von Dr. Albert Wittwer

Der Kanzler und seine Getreuen, das Parlament oder – mit einigem Abstand – die Justiz?

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Das Parlament lebt ja in Zeiten der Message-kontrollierten Koalitionen nur von den Untersuchungsausschüssen. Darum ist dort eine straff parteiische Vorsitzführung auch so wichtig, sonst kommt ja noch mehr heraus, wird von den Medien aufgenommen und auch die überlastete, personell ausgehungerte Anklagebehörde muss – horribile dictu! – ermitteln. Wollen wir das wirklich? Wir schauen belustigt, neugierig zu.

Nicht nur die grenzüberschreitende Vereinigung der Coronaleugner, auch die Verfassungsrechtler halten die Gewaltenteilung und die Demokratie schlechthin für bedroht. Es geht um die Balance der Macht und ihre Grenzen.

Derweil sind das alles Scheingefechte. Die Macht hat das Kapital. Aus den Spitzenämtern in der Politik in das gehobene Management und umgekehrt wird etwa in der Schweiz allgemein akzeptiert lebhaft gewechselt. Die Österreich-Klassiker sind der Raiffeisensektor, die ausgegliederten Staatsbetriebe, die Sozialversicherungen und Konzerne mit und ohne Staatsbeteiligung. Aber die Direktoren sind Minister im Sinne von ministrare, dienen, ausführen.

Sie führen aus, was den Superreichen gefällt.

Wir kennen sie nicht. Die paar bekannten Namen sind Avatare, Platzhalter. Während Corona sind sie sehr viel reicher geworden. Von ihnen weiß man in Wahrheit nichts. Alle Zahlen beruhen ausschließlich auf Schätzungen. Hinter den Konzernen stehen bei aller steuerschonenden Verschachtelung lebende Personen. Wenn sie, wie alle Sterblichen, die Welt verlassen, geben sie den Reichtum ungeschmälert an ihre Kinder und Enkel weiter, so als hätten nicht nur sie selbst (unwahrscheinlich) sondern auch diese ihn redlich verdient. Eine maßvolle Sondersteuer auf Vermögen, von Bill Gates und Warren Buffet befürwortet, kann man mangels Akzeptanz der Regierung in Österreich auch befristet nicht einführen.  

Das Kapital gibt uns vermeintlich das tägliche Brot. Grad so viel, daß wir nicht übermütig werden. Es hält uns bei Laune mit Sport, Unterhaltungselektronik einschließlich Facebook, Twitter, World Of Warcraft und jeder Menge Pseudoinformation. Wir sind ja auch sonst beschäftigt, dem anstrengenden Einhalten von Corona-Regeln, gestresst vom Verlust bezahlter Arbeit, zu viel Home-Office, zu wenig realen Kontakten. Außerdem testen wir uns nicht mehr auf Fitness oder Kenntnisse in Systemadministration, sondern Corona und wir versuchen, die Oma und uns für die Impfung anzumelden.

Da freuen wir uns doch über die guten Nachrichten:

Es soll ein Bundesanwalt als Weisungsspitze der Anklagebehörde statt einem koalitionstreuen Politiker kommen. Das gibt es in den meisten westeuropäischen Ländern schon lange. Und ein Informationsfreiheitsgesetz. Aber ach, das Kleingedruckte: es gibt nach dem Entwurf riesige, von Unbestimmtheit überquellende Ausnahmen von der Verpflichtung der Behörden, Auskunft zu geben. Noch schlimmer ist, das Fragerecht der Parlamentarier wird ausgehöhlt.

Leider kann Österreich die portugiesische Ratspräsidentschaft in ihrem Vorhaben, Agrarsubventionen an Großbetriebe von der Einhaltung von arbeitsrechtlichen Mindestvorschriften abhängig zu machen, nicht unterstützen. Sowas hülfe zwar nicht nur den Landarbeitern in Spanien und Sizilien sondern auch den österreichischen Biobauern. Aber die Tomaten müssen billig bleiben und man kann nicht alles haben.

Ein Lieferkettengesetz der EU, in Deutschland schon beschlossen, ähnlich der in der Schweiz vom Stimmvolk angenommenen Konzernverantwortungsinitiative, soll Menschen- oder Umweltrechtsverletzungen schadenersatzpflichtig machen. Die österreichische Regierung wartet noch ab.

Die EU will eine Börsentransaktionssteuer, in Frankreich derzeit 0,3 Prozent des Aktienkaufpreises, einführen. Da die Kaufspesen zwischen drei und fünf Prozent des jeweiligen Kurswertes betragen, wäre das für die Kleinanleger und Pensionskassen zu vernachlässigen, würde den m.E. schädlichen Hochfrequenzhandel aber vom Markt fegen. Österreichs Regierung ist dagegen. Obwohl der an Österreichs kleiner Wiener Börse nicht stattfindet.

Oh, die guten Nachrichten zur Ausübung von Macht kommen kaum von Österreichs Regierung. Aber immerhin hält eine breite Mehrheit der Wählerinnen und Wähler, die was ändern können, zur Europäischen Union.

Anmerkungen:

horribile dictu: Es ist furchtbar, das sagen zu müssen!

Der ÖGB tritt ein für eine Vermögensabgabe ab € 1 Mio bis € 10 Mio Immobilien- und Finanzvermögen von 0,5 %. Darunter keine Steuer, darüber allerdings 25 %. Anm: Es liegt auf der Hand, daß man die Besteuerung der Arbeitseinkommen nicht erhöhen kann.

Thomas Picketti: Das Kapital im 21. Jahrhundert: Die Arbeitseinkommen stagnieren, das Wirtschaftswachstum geht überwiegend an die Kapitalbesitzer.

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Kommentare 1

  1. Cicero says:
    5 Jahren her

    Lieber Albert!
    Das klingt ja alles recht schön – ABER: setz‘ die mal die Brille vom Charles Darwin auf und spähe, wo auf der (freien) Welt du einen VEB (ja – einen „volkseigenen Betrieb“!) findest, der erfolgreich ist und seinen Beschäftigten so viel Lohn und Brot gibt wie einer unter der Führung von „Kapitalisten“!
    Mir fällt dazu immer nur mein Großvater ein, der vor etwas weniger als 100 Jahren einer der bestimmenden Köpfe der legendären Baufirma „Grundstein“ war (die der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter gehört hat!). Er hat beklagt, dass die Firma pleite gegangen ist, weil die bösen apitalistischen Bauunternehmer immer besser und billiger anbieten konnte als die „Grundstein“.
    Es sagt schon was, dass die erfolgreichen Firmen immer irgendwelchen „Kapitalisten“ gehören – und nicht den Werktätigen!
    LG
    Cicero

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