Wenn man Wolfgang Türtscher begegnet, begegnet man einem Mann, der Bildung nicht nur als Beruf, sondern als Berufung versteht. 69 Jahre jung, verheiratet, Vater zweier Kinder und stolzer Großvater – und vor allem: ein Götzner mit Leib und Seele. Fast vier Jahrzehnte prägte er als Lehrer, Direktor, Organisator und Idealist die Bildungslandschaft Vorarlbergs.
„Ich war zu Beginn meines Studiums überzeugt, dass ich nie Lehrer werde“, sagt Türtscher mit einem Schmunzeln. Doch das Probejahr am Gymnasium Blumenstraße in Bregenz änderte alles. 37 Jahre lang unterrichtete er dort Deutsch, Geschichte und später auch Ethik – und fand in der Arbeit mit jungen Menschen seine Erfüllung. Für ihn ist der Lehrerberuf „der freieste Beruf der Welt“, geprägt von Eigenverantwortung, Gestaltungsspielraum und der Freude, Jugendlichen Wissen und Werte zu vermitteln.
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Als überzeugter Katholik – „religiös, aber nicht fromm“, wie er betont – sah er im Ethikunterricht keine Konkurrenz, sondern eine sinnvolle Ergänzung zum Religionsunterricht. Sein Zugang war stets von Neugier und Toleranz geprägt: „Ich habe bei meinen Ethikschülern viel religiöses Interesse bemerkt – sie wollten wirklich wissen, was in den verschiedenen Religionen los ist.“
Architekt der Erwachsenenbildung
Neben seiner Tätigkeit als Lehrer war Türtscher jahrzehntelang das Gesicht der Volkshochschulen in Vorarlberg. Ab 1986 leitete er die Volkshochschule Bregenz, baute sie zu einer modernen, professionell geführten Bildungsinstitution aus und gründete 1990 auch die Volkshochschule in seiner Heimatgemeinde Götzis.
Sein Konzept war klar: Bildung für alle, lebensnah, praxisorientiert und finanzierbar. Unter seiner Leitung entstanden Programme für den zweiten Bildungsweg, Deutsch-Integrationskurse und die Berufsreifeprüfung. „Man muss immer gewappnet sein, neue Aufgaben zu übernehmen – wer knapp kalkulieren muss, wird innovativer“, sagt er über den ständigen Balanceakt zwischen Bildungsauftrag und finanzieller Realität.
Heute ist Götzis die größte Volkshochschule des Landes – ein Erfolg, der ohne Türtschers Weitblick und organisatorisches Talent kaum denkbar wäre.
Tradition und Glaube als Anker
Auch nach seiner Pensionierung bleibt Türtscher aktiv und engagiert. Als Obmann der Bruderschaft St. Arbogast und St. Anna in Götzis hat er 2012 gemeinsam mit Gleichgesinnten eine jahrhundertealte religiöse Gemeinschaft zu neuem Leben erweckt. Die Bruderschaft ist für ihn mehr als kirchliche Folklore – sie steht für Werte, Zusammenhalt und soziale Verantwortung: „Wenn jemand in Not gekommen ist, hat die Bruderschaft eingegriffen.“ Heute zählt sie über 260 Mitglieder, von Alt bis Jung, aus ganz Europa.
Christlich-sozial verwurzelt
Ein weiterer zentraler Teil seines Engagements ist die katholische Mittelschulverbindung Clunia in Feldkirch, der er seit 1980 angehört und deren Obmann er lange war. Für Türtscher sind Verbindungen Orte der Wertebildung – getragen von den Prinzipien Religio, Scientia, Patria und Amicitia: Religion, Wissenschaft, Vaterland und Freundschaft. Er war maßgeblich daran beteiligt, die Verbindung für Frauen zu öffnen – ein Schritt, den der konservative Bildungsdenker mit Weitblick und Pragmatismus unterstützte: „Die Mädchen übernehmen genauso Führungsverantwortung – und im Ergebnis hat sich nichts geändert.“
Ein Leben für Bildung, Werte und Gemeinschaft
Wolfgang Türtscher ist ein Mann, der konservativ denkt, ohne rückwärtsgewandt zu sein. Einer, der den Wert von Bildung, Familie und Glaube nicht predigt, sondern lebt. Sein Lebenswerk zeigt, dass konservativ nicht Stillstand bedeutet, sondern Beständigkeit in Haltung und Verantwortung. Ob als Lehrer, Volkshochschul-Direktor, Bruderschafts-Obmann oder Verbindungsmitglied – Türtscher hat in allen Rollen eines gemeinsam: Er baut Brücken. Zwischen Generationen, zwischen Bildung und Gesellschaft, zwischen Tradition und Gegenwart.
„Wichtig war immer, dass die Familie nicht zu kurz kommt“, sagt er zum Schluss. „Meine Frau ist auch Mitglied bei der Clunia – das hilft.“ Ein Satz, der seine Lebensphilosophie auf den Punkt bringt: Engagement und Gemeinschaft gehören zusammen – in der Familie wie in der Gesellschaft.
🧭 Factbox: Wolfgang Türtscher
Kategorie
Information
Geburtsjahr
1956
Wohnort
Götzis, Vorarlberg
Familie
Verheiratet, zwei Kinder, zwei Enkel
Beruflicher Werdegang
Lehrer für Deutsch, Geschichte und Ethik am Gymnasium Blumenstraße, Bregenz (37 Jahre)
Leitungsfunktionen
Direktor der VHS Bregenz (1986–2014), Obmann der VHS Götzis (seit 1990)
Ehrenamtliches Engagement
Bruderschaft St. Arbogast & St. Anna (seit 2012 aktiv), Katholische Mittelschulverbindung Clunia (seit 1980)