Ein Porträt des Malers, Lehrers und Lebenskünstlers
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Thomas Payr, geboren am 19. September 1940 in Feldkirch-Altenstadt, ist ein Mann, der die Welt durch Linien, Farben und Geschichten erfasst. Sein Leben liest sich wie ein Roman: geprägt von osttirolerischen Wurzeln, künstlerischer Leidenschaft und der unerschütterlichen Überzeugung, dass Kunst nicht nur gemalt, sondern gelebt wird. „Die Kunst ist ein väterliches Erbe“, sagt er – und tatsächlich scheint sie ihm im Blut zu liegen. Schon sein Vater, ein kluger Kopf aus Kals am Großglockner, träumte von einer künstlerischen Laufbahn, doch die Pflichten als Familienvater führten ihn in den Beamtenstand. Thomas Payr aber folgte dem Ruf der Leinwand – wenn auch mit Umwegen.
Nach der Matura und einem kurzen Intermezzo bei der Post, wo er „die Pragmatisierung“ erreichte („Mein Bub, du verstehst“), brach er auf: erst ins Bauhaus nach Bochum, dann als Lehrer nach Tirol und Vorarlberg, immer mit dem Skizzenblock in der Hand. Die Linie, so sagt er, sei sein „dominanter Ratgeber“. Ob im grafischen Design, in der Malerei oder im Unterricht – Payr blieb ein Zeichner, ein Gestalter, ein Mann, der die Welt in Formen und Farben übersetzt.
Bauhaus, Kanaren und die Magie des Lichts
Payrs Stil ist unverkennbar: klar, expressiv, durchdrungen von der Schule des Bauhauses, doch nie dogmatisch. „Ich bin kein Hungerleiter“, betont er, „aber die Kunst war mir immer den Preis wert.“ Sein Atelier in der alten Dogana in Feldkirch wurde zum kreativen Zentrum – bis die Stadt es ihm eines Tages „wegnahm“. Doch Payr ist kein Mann der Klagen. Stattdessen packte er die Koffer und folgte dem Ruf seines Sohnes Simon auf die Kanarische Insel La Gomera. Dort, zwischen Vulkanen und dem endlosen Blau des Atlantiks, entdeckte er ein neues Farbspektrum: „Die Farbe war wie ein Magnet, der mich überschüttete.“ Monatelang malte er unter freiem Himmel, lernte Spanisch („mit Latein als Wurzel“), und fand in der Galeria Oasis eine zweite Heimat. „Das Licht dort ist eine Droge“, schwärmt er. Seine Bilder wurden intensiver, lebendiger – als würde er seinen Motiven nicht nur Farbe, sondern Leben selbst schenken.
Die Kanaren wurden zu seinem Winterrefugium, ein Ort, an dem er „jeden Tag malte, nicht aus Muss, sondern aus Lust“. Doch selbst im Paradies blieb er ein Vorarlberger: „Die Farbe hier ist verkraut“, sagt er über die Heimat, „aber unten habe ich gelernt, sie zu intensivieren.“ Seine Werke – ob Acryl auf Leinwand oder Mixed-Media-Experimente – erzählen von dieser Dualität: der kühlen Klarheit der Alpen und der glühenden Leuchtkraft des Südens.
Der Lehrer, der nie aufhörte zu lernen
Payr unterrichtete an Gymnasien in Tirol und Vorarlberg, prägte Generationen von Schülern – und lernte selbst nie aus. Seine Kontakte zu Schriftstellern, Kunsthistorikern und Kollegen waren ihm stets wichtiger als der große Markt. „Die Zeit ist die Mängelware unserer Epoche“, sagt er. Doch er nahm sie sich: für Gespräche, für die Staffelei, für das „Gespräch mit dem Bild“ – eine private Auseinandersetzung, die er wie eine Liebe pflegt. „Das Bild ist widerspenstig. Es muss in die Spur gebracht werden.“
Sein vielleicht berühmtestes Werk, „Feldkirch vernetzt“ (1974/2024), ist ein dreidimensionales Drahtgeflecht, das die Stadt in Linien auflöst. „Ich habe mit dem Lötkolben gearbeitet, bis die dritte Dimension entstand“, erzählt er. Ein Bild, das nicht nur hängt, sondern Raum schafft – genau wie sein Leben, das sich zwischen Ateliers, Reisen und Familienbanden entfaltet.
Der Poet mit der Staffelei
Payr schreibt, wie er malt: mit Hingabe und ohne lange zu feilen. Seine Texte – wie das Gedicht „Gestern war ich zu Hause“ – sind voller Erinnerungen an Altenstadt, an eine Kindheit im Schatten der Kirche, an „einen Rosenkranz von Bildern, im Wissen, dass Rosen Dornen tragen“. Doch veröffentlicht hat er sie nie. „Es muss Spaß machen“, sagt er lapidar. Dabei sind seine Worte wie seine Bilder: präzise, sinnlich, voller Leben.
Seine Söhne, der Fotograf David Payr (Wien) und der in Berlin lebende Simon, trugen die Kunst in die Welt. Doch Thomas selbst blieb ein Heimkehrer – ob nach Delfts, wo er ein Haus baute, oder zurück nach Feldkirch, wo er heute, mit 85 Jahren, bilanziert: „Ich war nie stilistisch eingeengt. Die Freiheit in der Malerei war mein größtes Geschenk.“
Factbox: Thomas Payr
Geboren am: 19. September 1940 in Feldkirch-Altenstadt
Beruf: Maler, Grafiker, Kunstlehrer (Mag. art.)
Ausbildung: Bauhausschule Bochum, Lehramt für Kunst
Stil: Bauhaus-inspiriert, expressiv, linienbetont
Materialien: Acryl, Öl, Mixed Media, Drahtinstallationen
Wichtige Stationen: Atelier in der alten Dogana (Feldkirch), Kanarische Inseln (La Gomera, Galeria Oasis), Ausstellungen in Kufstein, Schönbrunn, Kanaren
Familie: Zwei Söhne: David (Fotograf, Wien), Simon (Caterer, Berlin)
Prägende Einflüsse: Dadaismus (leicht), Surrealismus, südliches Licht
Bekanntestes Werk:
„Feldkirch vernetzt“ (1974/2024, Drahtinstallation)
Lebensmotto:
„Die Farbe ist mein Lebenselixier.“
Aktuell
Lebt in Feldkirch, malt „bis die Stadt mich rauswarf“ – und denkt zurück: „Das Leben war reich.“
„Die Kunst ist meine Sprache. Die Bilder sind mein Vokabular.“ – Thomas Payr
Ein Porträt über einen Mann, der die Welt in Farben taucht – und dabei selbst zur Legende wurde.