Auf dem Petersplatz in Rom. Zuerst das Warten in der großen Gemeinschaft von Erwachsenen und Kindern, Greisinnen, Jugendlichen, Männern und Frauen, Italienern und Besuchern aus der ganzen Welt. Die freudige Erwartung. Dann die Emotionen: Begeisterung und Rührung, *)
Von Dr. Albert Wittwer
Und die Zuversicht. Niemand wird besiegt, beschämt. Über niemanden wird geurteilt.
Das Ritual ist wirkmächtig. Die Menschen lieben es. Viele genießen es, mit Gleichgesinnten einen Popstar zu feiern. Sie werden von Emotionen überwältigt. Sie suchen Zugehörigkeit, die die Gemeinsamkeit verstärkt. Schwieriger ist das Verhältnis der Tifosi, der Sportfans, die ihren Fußballclub, ihre modisch barbierten, hoffnungslos überbezahlten Helden anfeuern. Die Fans, überwiegend Männer, muss man – je nach Zugehörigkeit – trennen, auf Waffen untersuchen, auf dass sie sich nicht bedrohen, verprügeln.
Der Unterschied liegt auf der Hand und bestärkt unsere Zuversicht. Der Papst sprach nicht von Katholiken – etwa in Abgrenzung zu Muslimen, sondern von allen Lebenden, fratelli e sorelle, von Schwestern und Brüdern. Spontan nicht in irgendeiner überlegenen Herrschaftssprache, sagen wir Manager- oder Kunstperformance- Englisch, sondern mehreren schlichten Kultursprachen.
Er versprach keine Größe, Überlegenheit, Überwältigung von Feinden. Die Botschaft handelte von Frieden in Freiheit, der Inklusion der Armen in die Gemeinschaft, von Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, Überwindung des Stammesdenkens.
Das diskriminiert die zahlreichen Drohnenpiloten, Folterknechte, die Wächter in den gruseligen Kerkern und ihre Anführer. Es desavouiert die Milliardäre als Profiteure der Ausgrenzung und des Vorenthaltens in der Verteilung der irdischen, lebensnotwendigen Güter. Und einer Ordnung, die ihren Reichtum bewahrt. Den sie durchaus zelebrieren. Nur ein Beispiel von vielen: Was hätten etwa die Eigentümer einer österreichischen Softdrink-Dosenfabrik mit dem Geld, das sie für den Kauf der Südseeinsel Laucala und den Bau von Luxus-Wohnungen darauf ausgaben, bewirken können? **)
Einsicht wird die Mächtigen nicht zügeln. Sie erröten nicht, sie sind schamlos, das zeichnet sie aus. Das macht sie uns zivilisierten Menschen beim sozialen oder politischen Aufstieg überlegen. ***)
Um Wahlen zu gewinnen, braucht man Geld. Das spricht für die staatliche Parteienfinanzierung. Und für die verpflichtende Deklaration und Begrenzung von „privaten“ Parteispenden. Dennoch brauchen wir – schon gar nicht im europäischen Österreich – zu verzagen.
Die Techniken, die wir von unseren Großmüttern und -vätern geerbt haben, die Macht zu zügeln, nennt sich partizipative Demokratie. So ist Österreich im internationalen Gerechtigkeitsindex auf Platz acht gelandet, vor Deutschland und der Schweiz. ****)
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Anmerkungen:
*) Nos multi in illo uno unum“ (dt.: „In diesem einen sind wir vielen eins“).
**) https://www.falstaff.com/at/news/como-laucala-island-neues-luxusresort-auf-mateschitz-privatinsel
***) Rutger Bregman, „Wie Macht korrumpiert“ in „Im Grunde Gut“, rororo 2025 S. 266 ff;
****) Forschungsbericht aus dem Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. https://www.derstandard.at/story/3000000268581/ein-lichtblick-im-trueben-in-oesterreich-geht-es-ziemlich-gerecht-zu