Von Albert Wittwer
Kann man alles haben: Steuergerechtigkeit, Zugriff auf geklautes, verbrecherisch erworbenes Vermögen, Schutz vor Desinformation und zugleich Privatheit, die Geheimhaltung persönlicher Daten?
Mutige Journalisten enthüllten vor einigen Tagen, daß das israelisch-amerikanische Unternehmen Team Jorge anbietet, gegen ein Millionenhonorar in cash oder Bitcoins Wahlen zu manipulieren.
Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin (Oligarch, „Putins Koch“, Eigner der weltweit führenden Söldner-Armee) brüstet sich, eine Cyber-Armee von dreißigtausend nicht identifizierbaren Fake-Identitäten zu befehligen. Ursprünglich sei er nur der Gastgeber gewesen, neuerdings aber der Eigentümer der Sankt Petersburger Trollfabrik. In einem realen Bürogebäude arbeiten die weltbesten Hacker und Texter an neuen Trollen und Kampagnen. Sie bieten auch Heimstätte für die Ransom-Erpressung nach dem Motto: „Wir haben ihre Firmensoftware gehackt. Zahlen Sie ein Lösegeld von zwei Millionen Euro in Bitcoin – sonst werden wir Ihre Produktion lahmlegen, Ihre Datenbanken löschen, ihre Ampel-, Flugplan-, Eisenbahnfahrpläne manipulieren.“
Der vor allem russischen, aber auch privatkriminellen Desinformation, Erpressung und Manipulation haben die demokratischen Staaten in Europa und die EU nichts Wirksames entgegenzusetzen. Es ist nicht erkennbar, daß die Regierungen irgendeinen Plan verfolgen, wie dieser großen Bedrohung entgegnet werden kann.
Der öffentliche, nicht privatisierte Westen, also die Europäische Union und die Mitgliedstaaten, flirten beharrlich mit dem Schutz der persönlichen Daten, der digitalen intimen Privatsphäre. Als wäre das unser dringendstes Problem.
Glauben wir wirklich, wir blieben anonym, wenn wir die Fahrkarten im Scotty-Portal reservieren und mit im Supermarkt mit Kreditkarte zahlen? Unsere Laborbefunde als pdf – natürlich nur bei Nachfage – vom Arzt bekommen Usw.usf. Was uns schützt, sind nur die Institutionen, die Gerichte und die Verwaltungsbehörden.
Die Privatsphäre war eine historische Anomalie, ein Konstrukt des Industriezeitalters, der urbanen Verdichtung (Vint Cerf). Hinter dem Schutz unserer harmlosen Privatsphäre – einschließlich Chat-Nachrichten – verstecken sich heute erfolgreich die Oligarchen und ihre Schachtelkonstruktions-Tochterfirmen samt Treuhandschaften in noblen Adressen an der Bahnhofstraße oder am Ring. Bloß ein dutzend mickrige Milliarden von Oligarchengeld sind in Europa und der Schweiz eingefroren. Wie schon in früheren Kommentaren erwähnt, fehlt das Register der natürlichen Personen, der Letztbegünstigten, der wirtschaftlichen Eigentümer.
Es liegt auf der Hand, daß der Wiederaufbau der Ukraine tausende an Milliarden Euro kosten wird. Es wird vielleicht eine Art Marshall-Plan, mit dem nach dem zweiten Weltkrieg wichtige Teile des Wiederaufbaues finanziert wurden, wiederaufgelegt.
Woher aber kommt das Geld? Üblicherweise werden Reparationen den Verliererstaaten auferlegt.
Auf das Vermögen der Oligarchen kann rechtlich nicht direkt zugegriffen werden. Es wird aber auch zu einer strafrechtlichen und schadenersatzrechtlichen Aufarbeitung der Kriegsverbrechen in der Ukraine kommen. Dann sieht die Sache anders aus. Die Mitverantwortung bedeutender russischer Oligarchen, Rußland habe davon etwa achtzig, viele mit politischen Ämtern, wird sich beweisen lassen. Ihr Privatvermögen ist nur dann vor dem Zugriff sicher, wenn es vor dem bösen demokratischen Staat versteckt ist, und der es, wie heute üblich, bis auf einige blöde Yachten nicht zuordnen kann. Das ist außerdem auch zur Vermeidung von Steuerpflichten für alle anderen Milliardäre sehr nützlich.
Da ist es für die Republik schon einfacher, die „Geringfügigkeitsgrenze“ für Kleinstverdiener zu streichen.
Desinformation ist die Zwillingsschwester des Verborgenen, der Geheimhaltung, Mutter der Intrige, der Korruption.
Anmerkung:
Der hybride Krieg ist – unerklärt und vom Projekt „Storykillers“ – aufgedeckt, längst in Gang. Details kann man u.a. in Der Standard, Spiegel, NZZ, Die Zeit nachlesen. Gegen Desinformation hilft redaktionell seriöser Journalismus.