Es war im Frühling 2011 als der Architekt und Hobby-Archäologe Spallo Kolb aus Widnau einen spektakulären Zufallsfund in Oberriet machte und dies umgehend der Kantonsarchäologie St. Gallen meldete. Diese kam vor Ort und legte im gleichen Sommer sowie noch im darauffolgenden Jahr die archäologische Fundstelle, die „Abri Unterkobel“ heisst, teilweise aus.
Von Bandi Koeck
Ein Abri ist nichts anderes als ein Felsvorsprung, unter welchem sich Siedlungsspuren aus längst vergangenen Tagen befinden. Diese reichen von der Römerzeit bis ins Mesolithikum und bestehen aus 4,5 m dicken Schichten. Die Fundstelle liegt unterhalb von Kobelwald in einer Halbhöhle im unteren Teil einer Felswand, die sich nördlich des Weilers Moos befindet. War Unterkobel einst ein Steinbruch, so wird er heute als Deponie für Aushub- und Bauschuttmaterial verwendet. Den Archäologen, welche in den Jahren 2011 und 2012 an der Grabungsstelle in Oberriet gruben, forschten und dokumentierten, konnten über 20.000 Fundstücke freigelegt werden. Anschliessend wurde alles mit Geotextilien abgedeckt und wieder zugeschüttet, damit allfällige spätere Untersuchungen an diesem – wie es im Forscherjargon heisst – „wertvollen Archiv für spätere Generationen vorgenommen werden können.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse
Eine umfangreiche Schichtabfolge von der Mittelsteinzeit bis zur Römerzeit, gut erhaltene Funde und eine intensive naturwissenschaftliche Beprobung der Fundschichten versprechen neue Erkenntnisse zum prähistorischen Leben im Alpenrheintal. In dem wissenschaftlichen Bericht von Fabio Wegmüller, David Brönnimann und Martin P. Schindler erfahren wir: „ (…) Auf diesen Blöcken fand die erste nachweisbare Besiedlung in der frühen Mittelsteinzeit statt. Diese hinterliess aber keine in situ überlieferten Strukturen und ist nur noch über verlagerte Funde in den Hohlräumen zwischen den Blöcken und dem Kalkschutt nachweisbar. Darüber liegt das Schichtpaket, welches relativ wenig Kalkschutt aufweist, und von verschiedenen archäologischen Strukturen geprägt ist. Das lehmige Sediment ist stellenweise brandgerötet und enthält viel Holzkohle.“ Somit gibt der Abri Unterkobel in Oberriet ganz neue Einblicke in die Geschichte des Alpenrheintals und ist von grosser Bedeutung. Denn obwohl die Fundstelle nicht vollständig ausgegraben wurde, bietet das Fundmaterial einen guten Einblick in die Siedlungsabfolge. Bisher wurde nur eine Voranalyse durchgeführt, eine detaillierte Auswertung der Funde und Befunde ist in Planung und verheisst weitere Einblicke in die Ur- und Frühgeschichte des Alpenrheintales über einen Zeitraum von mehr als 8000 Jahren. „Die intensive Beprobung der Fundschichten während der Grabung ermöglicht weitere naturwissenschaftliche Untersuchungen. Die geborgenen Kleintier- und Molluskenreste können bei der Auswertung wichtige Resultate zur Umwelt- und Klimaentwicklung im Bereich der Fundstelle liefern“ so die Wissenschaftler um Wegmöller, Brönnimann und Schindler abschliessend.
Schönes Ausflugsziel
Forscher sind sich einig darüber, dass dieser Abri, der urgeschichtliche Siedlungsplatz, während Tausenden von Jahren besucht worden ist. Jäger und Sammler aus der Mittelsteinzeit (das ist vor mehr als 10.000 Jahren) hinterliessen dort bereits die ersten Spuren. Aber auch die ersten Bauern der Region nutzten den Unterschlupf vor Unwettern bereits im fünften Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung. In der Bronzezeit (2200 bis 800 v.u.Z.) wurden verschiedene Bauten erstellt, welche heute noch nachgewiesen werden können. Es gibt Spekulationen darüber, wie „wohnlich“ der Siedlungsplatz eingerichtet wurde und ob er als dauerhafte Siedlung galt. Wie auch immer es vor Tausenden vor Jahren gewesen sein mag, eines ist wohl gewiss: Ein Spaziergang von Oberriet über den Unterkobel hinauf in den schönen Kobelwald ist auf jeden Fall lohnend, ganz egal ob im Winter, Frühling oder zu einer anderen Jahreszeit!