Ein Grenzgänger zwischen den Welten. Mikko Mittendorfer ist jemand, den man gehört haben muss. Für den spirituellen Frastanzer ist Musik seit frühen Kindheitstagen Balsam für die Seele. Im Interview erzählt er offen über seine Erfahrungen als Straßenmusiker.
Text & Fotos: Bandi Koeck
Gsi.News: Sie sind als Straßenmusiker unterwegs. Wie kam es dazu und was fasziniert Sie daran?
Mikko Mittendorfer: Ich bin dankbar, dass seit meiner Geburt mit einem rhythmischen Talent beschenkt wurde. Es ist etwas nicht Alltägliches und nicht selbstverständliches. Ehrlich gesagt habe ich mir dies nicht hart erarbeitet. Von zehn bis vierzehn habe ich Schlagzeugunterricht in der Musikschule Walgau genossen. Allerdings war ich ein immer fauler Schüler, was aber an der Zufriedenheit meines Lehrers keinen Abbruch getan hat. Vom normalen Gymnasium wollte ich ins Musikgymnasium wechseln, absolvierte die Aufnahmeprüfung fürs Konservatorium, erhielt aber trotzdem eine Absage. Das war ein erster Knacks, der mich sehr frustrierte. Daraufhin räumte ich mein Schlagzeug in den Dachboden. Erst mit 16 packte ich mein Drumset wieder aus, weil mich mein Schulfreund Bernhard Haid (heute Gynäkologe) bat, in seiner Rockband „Freestyle“ zusammen mit Thomas Krobath (K-Shake) zu spielen. In den vergangenen Jahren spielte ich in vielen Bands und Projekten. Ursprünglich bin ich von einem Freund, Thomas Ender, gefragt worden, ob wir zusammen auf der Straße spielen. Beim ersten Mal auf der Straße zu Musizieren habe ich Blut geleckt. Ein Grund dafür sprach, dass es wunderschöne und einzigartige Begegnungen gibt und zudem auch noch finanziell lukrativ sein kann. Zum Thema Geld: Für mich war und ist es so, dass ich mein Musikerherz für nichts verkaufen werde. In der Vergangenheit erhielt ich einmal ein tolles Angebot als professioneller Schlagzeuger in einer Schweizer Partyband einzusteigen. Ich habe abgelehnt.
Gsi.News: In der Vergangenheit sind Sie den verschiedensten Tätigkeiten nachgegangen. Inwiefern unterschieden sich diese zur Straßenmusik?
Mittendorfer: Grundsätzlich bin ich kein Mensch der große Ziele verfolgt, sondern ich bin ein sehr intuitiver spontaner Mensch, der sich von der Freude leiten lässt. Dies erfordert viel Spontaneität, viel Improvisieren, es hat aber auch etwas sehr schönes und viel Freiheit. Das zu tun, was einem am Herzen liegt, ist das Beste was ich kenne. Von 2001 bis 2007 habe ich Erziehungswissenschaften in Innsbruck studiert und das psychotherapeutische Propädeutikum. Am Anfang war ich recht motiviert und begeistert, im zweiten Studienabschnitt begann ich dann vieles zu hinterfragen. 2007 habe ich beides – obgleich nur mehr die Abschlussarbeiten nötig waren – geschmissen. Auslöser dafür war eine tiefgreifende spirituelle Erfahrung. Von Dezember 2007 bis April 2008 war ich eins und in Frieden mit allem. Diese Phase meines Lebens hat meine Perspektive aufs Leben grundlegend verändert. Ich durchlebte viele Höhen und Tiefen. Ich packte daraufhin meine Sachen und ging für ein halbes Jahr nach Sri Lanka. Dort wohnte ich in einer Strohhütte in einer Laguna am Meer ohne Strom und fließendes Wasser, um diese Erfahrung noch zu vertiefen. Ich musste die Reise abbrechen, weil ich durch die schonungslose Konfrontation mit meinen inneren Dämonen mein Körper reagierte und ich stark erkrankte. Daraufhin folgten verschiedenste Tätigkeiten wie in der Behinderten-, Jugend- und Flüchtlingsbetreuung, vom Schichten in Liechtenstein, Arbeiten in der Sennerei oder der Gründung eines Bioladens in St. Gerold war noch vieles weitere dabei. Bereits 2007 begann ich mich bewusst mit Ernährung und Heilung und den Zusammenhängen zu beschäftigen. All diese Tätigkeiten unterscheiden sich natürlich massiv zur Straßenmusik. Ich erlebte in den letzten Jahren viele Tiefs, welche mich längere Zeit überforderten und mich auch heute noch sehr fordern. Ein ständiges Eremitendasein und ständig von der Welt abgewandt zu sein, können kein Dauerzustand sein. Dennoch war das Leben mein bester Lehrer.
Gsi.News: Wie sind die Reaktionen von den Menschen, die Sie auf der Straße live spielen hören?
Mittendorfer: Unterschiedlich. Grundsätzlich ist die Resonanz sehr positiv. Viele gibt es, die einfach unbeirrt weitergehen, ohne Inne zu halten. Teilweise gibt es berührende Erlebnisse mit jenen Menschen, die sich Zeit nehmen. Vor allem Kinder sind es, die mich enorm berühren, wenn Kleinkinder ihre Eltern zum Stehenbleiben zwingen und dich anstrahlen. In so einer Situation geht mir das Herz auf, wenn dich so eine Reinheit anstrahlt, da bekomme ich dann feuchte Augen. Oft kommt es vor, dass Leute etwas unsensibel während eines Songs von beiden Seiten auf mich einreden und mich Dinge fragen. Zwischen den Liedern ist es kein Problem. Oft werde ich gefragt, wo ich gelernt habe und wie und wie oft ich übe. Die Wahrheit ist aber, ich übe (fast) nie. Einerseits kommt dies davon, dass ich über viel Erfahrung im gemeinsamen Improvisieren verfüge, andererseits ist es die Arbeit an mir selbst, welche die Tiefe und Qualität für meine Musik ist. Denn letztlich sehe ich mich nur als Kanal. Je mehr ich selbst in den Hintergrund rücke respektive mich bewusst diesem großen Fluss des Lebens hingebe, desto freier und heilsamer ist schlussendlich die Musik. Musik hat nämlich viel mit bewusstem Loslassen zu tun.
Gsi.News: Welche Unterschiede erleben Sie, wenn Sie an den unterschiedlichsten Orten wie Feldkirch, Dornbirn oder Lindau musizieren?
Mittendorfer: Ich habe an vielen Orten wie auch in Innsbruck und Wien gespielt. Feldkirch ist das dankbarste Pflaster für Straßenmusik. Ich weiß gar nicht warum, aber während dem Wochenmarkt am Samstag ist dort das Flair am besten. Einerseits habe ich eine Blues-Rock-Formation namens „Asphalt“ zusammen mit dem Gitarristen Thomas Ender, andererseits spiele ich zusammen mit Gerald Kienast „The Art of Dang“. Diese Kombination aus Handpan, Cajon und Didgeridoo und diversen perkussiven Instrumenten ist sehr interessant und bereichernd. Jetzt gerade in den Wintermonaten ist es extrem schwierig auf der Straße zu sein. Aufgrund des Wetters bleiben die Leute nicht stehen und geben dir auch nichts mehr.
Gsi.News: Gab es auf der Straße auch negative Erlebnisse oder gar Probleme?
Mittendorfer: Ja, die gab es. Ein eifersüchtiger Mann hat sich angeschlichen und mir eine brennende Zigarette während dem ich am Cajon spielen war in meinen Nacken gedrückt. Und nach Konfrontation hat er mir ins Gesicht gespuckt und gedroht, mich umzubringen. Es gibt immer wieder Passanten, welche sich missmutig äußern, sich über die Lautstärke beschweren – auf gut Deutsch an uns ihren Frust auslassen. In Innsbruck ist es sogar passiert, dass die Polizei wegen Ruhestörung gerufen wurde. Ich bewege mich so gut es geht im gesetzlichen Rahmen, denn meine Musik sollte eine Bereicherung sein ohne Anstoß zu geben. In meinen Zwanzigern fast ausschließlich spirituelle Ziele verfolgt habe. Heute in meinen Dreißigern sind Dinge, die ich früher belächelt habe, wichtiger geworden. Jetzt erkenne ich das Göttliche überall, selbst im schwer alkoholisierten Sandler, der mich aggressiv bedroht!
Live-Video vom 3. Juli 2021 in der Johannitergasse in Feldkirch:
Zur Person:
- Mikko Mittendorfer
- Geboren am 22. 3. 1981 in Hallein/Salzburg
- Familie: ledig
- Beruf: Musiker, Pädagoge, Mystiker
- Hobbys: Tischtennis, Wandern, Schwimmen
- Lebensmotto: Go with the flow!
- Lieblingsmusiker: Tool
- An Vorarlberg schätze ich: Die Berge, die Menschen und die Ruhe
- Kontakt: www.mikkomittendorfer.com