Hand aufs Herz: Es ist ein recht ungewöhnlicher wie auch vielversprechender Buchtitel, den Michael Berndt zusammen mit Rainer Schäfer gewählt haben. Das Buch ist eine ganz besondere Lektüre und für alle Globetrotter sowie junge Menschen mit Dauerheimweh Pflichtlektüre.
Michael Berndt kommt aus Sachsen, ist gerade mal 23 Jahre und hat seine Metzgerlehre vor kurzem abgeschlossen. Nach der blutigen Arbeit trifft er sich mit Freunden und Bekannten in der Kneipe, wo die Stammtischgespräche nicht selten in Unmut über die unerwünschten Fremden umschlagen, die einem ja doch nur die Arbeit wegnähmen. Ausländer gibt es im kleinen Dorf, in dem er mit seinen Eltern und den beiden Brüdern lebt, so gut wie keine. Er langweilt sich quasi zu tode, will raus aus dem Alltagstrott, etwas erleben, die Welt sehen, spüren, riechen und probieren. So bricht er eines Tages und ohne Vorbereitung mit nur 700 Euro im Gepäck nach Australien auf. Down Under erdet den Übermütigen schnell, denn die australische Hitze erträgt er nach dem deutschen Winter kaum, zudem spricht er kaum ein Wort Englisch und fremdelt mit der ungewohnten Kultur rund um Kängurus, Koalas und Riesenschlangen. Er tappt in unzählige Fettnäpfchen, schwimmt in einem mit Krokodilen versuchten Gewässer, wird überfallen und ausgeraubt, verhaftet und landet im Gefängnis, weil er am Strand Sex hatte. Er lässt so ziemlich jede Stelle auf seinem Körper tätowieren – meistens alles andere als nüchtern. Er beschließt, in allen Ländern mit mindestens einer Frau Sex zu haben. Bis auf das äußerst prüde Jordanien gelingt ihm das auch (wenn es gar nicht geht, dann halt im Bordell, was aber im haschemitischen Königreich ein Ding der Unmöglichkeit darstellt) und oft sind es mehrere Frauen gleichzeitig (etwa in Brasilien, wo er mit meistens drei hübschen Latinas an einem Tag in die Kiste hüpft). Zudem möchte er leben wie die Einheimischen, was nicht nur dasselbe Essen bedingt, sondern auch, die selben Drogen wie diese zu konsumieren.
Aus dem ursprünglich geplanten halben Jahr Auslandsaufenthalt in Australien werden acht Jahre, mit Unterbrüchen, bei denen er in der Gastronomie arbeitet – und genau da kommt Vorarlberg ins Spiel: Er arbeitete eine Saison lang in Lech am Arlberg und später auch in Tirol. Als Berndt, der zwischenzeitig auch als Pornodarsteller mit dem Pseudonym Mikey Stiff tätig war und für Arnold Schwarzenegger gekocht hat, schließlich nach Deutschland zurückkehrt, spricht er mehrere Sprachen fließend und ist ein weltoffener Mensche geworden, der weiß, dass Begegnungen mit anderen Menschen viel wertvoller sind als alles, was man mit Geld kaufen kann. Es lohnt sich zudem, ihm auf Facebook zu folgen.
Fazit nach der Lektüre:
Das Buch ist unglaublich offen und ehrlich verfasst, es kann problemlos in einem Atemzug verschlungen werden. Doch Vorsicht: Michael Berndt löst dadurch eine unglaubliche Sehnsucht nach Reisen (nicht Urlauben, denn das ist ganz etwas anderes), fernen Ländern, Kulturen (und natürlich Frauen) aus und auch wenn er nicht so sehr ins Detail geht, was sein horizontales Lieblingshobby anbelangt, so beschreibt er umso genauer die einzelnen Städte, Länder und Regionen. Tolle Story – es gibt sicher auch Frauen, die so etwas wie er gemacht haben, aber leider nie den Mut oder die Möglichkeiten hätten, dies zu Papier zu bringen!
Ausgewählte Schmankerln aus dem Buch
- In Seoul lief mir zufällig ein Schweizer über den Weg, der auf Manga-Pornos abfuhr. Er ging regelmäßig in ein Sexkino, wo er sich in einer der Kabinen mit einer Taschenmuschi befriedigte. Das, behauptete er, sei auch unter Koreanern und Japanern eine beliebte Art, um Druck abzubauen. Ein Parallel-Universum mit Manga-Pornos und künstlichen Muschis – damit konnte ich nun gar nichts anfangen.
- Weiter ging es in das Amazonasbecken. Alex und ich wollten zu den Chimane, einem Indiostamm, und Ayahuasca ausprobieren. Das war eine Droge, die aus einer Liane hergestellt wurde. Ich wusste gar nichts von Ayahuasca und war wie immer neugierig darauf, eine Naturdroge auszustesten. Als wir zu den Chimane kamen, stellte sich heraus, dass wir deren spezielles Ritual befolgen mussten.
- Ganz oben in der Favela Vidigal war ein Hostel, das von einem Österreicher geführt wurde. Dort frage ich wegen eines Zimmers. Kurz zuvor hattte die Polizei angefangen, die Favelas in Rio zu durchkämmen.
- Kappadokien war eine Zauberwelt, aus Tuffstein geformt. Was aussah, als ob eeine exzentrische Künstlerkolonie im Gestaltungsrausch ihre Fantasien in Stein gehauen hätte, war in Wirklichkeit ein Kunstwerk der Natur. Die beiden Vulkane Erciyes und Hasan hatten das ganze Gebiet mit ausströmendem Tuff bedeckt.
- In Sambia bestand ich zudem eine kulinarische Mutprobe. Ich ließ mir Infinkubala servieren, gebratene Riesenwürmer und Larven, die wie Kartoffelkäfer aussahen und mit Zwiebeln und reichlich schwarzem Pfeffer serviert wurden.
- Das Hostel mit dem etwas sonderbaren Namen „Away with teh Fairies“ lag in der Hogsback Region im Landesinneren von Johannesburg und genoss einen besonderen Ruf unter Backpackern. Zum Hostel gehörte eine Badewanne aus Emaille, die in einen mächtigen Grantiblock eingelassen war.
- Wir waren völlig fertig vom Lachgas, das uns im Nachhinein überhaupt nicht mehr lustig stimmte – ein richtig heftiger Hangover hatte uns am Wickel. Alex brüllte vor Schmerzen wie ein Tier, irgendjemand hatte ihm „Fuck off“ ausgerechnet auf die Lippen tätowiert. Mia hatte sich Augenbrauen tätowieren lassen, ihr ganzes Gesicht war angeschwollen wie nach einem Verkehrsunfall. Ich hatte in der Backpacker-Szene den Ruf, ziemlich verrrückt und ein bisschen pervers zu sein. Auf meinem Arsch stand nur lapidar: „Your name“. Wir hatten nicht den Hauch einer Ahnung, wie dise verdammten Tätowierungen auf unsere Körper gekommen waren. Wenn ich jemanden kennelerne, sage ich immer: „Wetten, dass dein Name auf meinem Arsch steht?“ Das ist immer ein guter Anlass, um mal wieder die Hose runterzulassen.
- Die drei arbeiteten als Filmemacher und waren gut im Geschäft. Als ich in Bali ankam, drehten sie gerad einen Werbeclip über die Hangig Gardens, die als exklusivster Pool der Welt galten und sich über zwei Etagen erstreckten. Der Pool ist vom Regenwald umschlossen, man hört die Geräusche der Tiere im Urwald, insbesondere den Lärm der Affen.
- Gewöhnungsbedürftig waren auch die aus der ostchinesischen Provinz Dongyang stammenden Urin-Eier. Diese „Frühlingseier“ werden zeurst in Kinderurin gekocht, anschließend gepellt und für eine nacht in der Urinade eingelegt. Am besten sollen die Eier mit Urin von vorpubertären Jungen im Alter von zehn Jahren schmecken. Der Urin für diese merkwürdige Spezialität wird an örtlichen Schulen gesammelt. Die Pipi-Eier haben den Ruf, gesund zu sein, wie manches in Asien, was man in Europa angeekelt wegwerfen würde.
- Schwalbennester waren eine der größten kulinarischen Herausforderungen die ich bestehen musste – es sind echt Vogelnester, von Salanganen, die den Schwalben ähneln, und die in Gemüsebrühe gegart werden. Auf den ersten Blick könnte man die Nester mit Reisnudeln verwechseln. Aber dann löst sich der Kot langsam in der Brühe auf und bestimmt auch deren Farbe und Geschmack.
- Beim Stanglwirt wechselte ich endgültig auf die andere Seite – von den Gemüseschälern und Schnippelhilfen zu den Köchen. Der Standglwirt war auch der Karrieresprung für mich in der Küche. Dort bekochte ich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, die Klitschko-Brüder, Arnold Schwarzenegger und auch die Geissens – die privat so sind wie im Fernsehen: Laut und schrill.
- Ich hatte auf meinen Reisen zunehmend alle Hemmungen verloren und konnte vom Sex nie genug bekommen. Ich hatte schon oft gedacht, dass ich mich in der Pornobranche eigentlich wohlfühlen müsste. Als ich zum zweiten Mal die Tomatenschlacht in Bunol (La Tomatina, Anm.) besuchte, wurde in der Menschenmenge gerade ein Pornostreifen gedreht. Direkt neben mir wurde gerammelt, ich zog kurz entschlossen meine Hose aus, stülpte eine Tomate über meinen Penis und ließ ihn lutschen. Es machte mir nichts aus, dass da andere zuschauten. Im Gegenteil, das stimulierte mich zusätzlich.
Ein tolles Buch, gut beschrieben