Es gibt ein Muster, das sich in jeder hitzigen Debatte über Israel wiederholt:
Selektive Empörung, rhetorische Tricks und moralische Umkehr. Wer genauer hinschaut, erkennt, wie aus Trauer Wut wird, wie aus Wut Parolen werden – und wie die eigentlichen Täter aus dem Bild verschwinden.
Von Anatoli Loucher
1. Einstieg mit Empörung statt Argumenten
Der erste Griff in die Werkzeugkiste: Beleidigung. „Unterste Stufe!“, „Ich muss kotzen!“. Wer so beginnt, zeigt sofort: Argumente fehlen, also ersetzt man sie durch Lautstärke. Eine sachliche Auseinandersetzung wird gar nicht versucht. Stattdessen wird die Diskussion moralisch abgewürgt, bevor sie beginnt.
2. Historische Ablenkungsmanöver
Dann folgt der zweite Trick: ein Sprung in die Vergangenheit. Luxemburg wurde im Zweiten Weltkrieg von Nazi-Deutschland überfallen, Opferzahlen werden genannt, persönliche Schicksale erzählt. Alles tragisch, alles wahr – aber: Es hat mit der diskutierten Analogie nichts zu tun.
Die Frage war: Wie würde Deutschland heute reagieren, wenn 12.000 Zivilisten (1200 Opfer der 7. Oktober hochgerechnet auf die deutsche Bevölkerung) an einem einzigen Tag ermordet würden?
Darauf keine Antwort – stattdessen eine emotionale Flucht in Geschichte, die das eigentliche Thema umgeht.
3. Strohmann-Argumente
„Sie wollen also die Zerstörung einer ganzen Nation rechtfertigen!“ – so klingt der nächste Vorwurf. Doch das ist ein klassischer Strohmann: Niemand hat gefordert, „Luxemburg/Gaza auszulöschen“. Die Rede war von einem Staat, der sich nach einem Massaker militärisch verteidigt. Aus dieser Realität eine „Vernichtungsphantasie“ zu basteln, ist nichts anderes als bewusste Verdrehung.
4. Opferzahlen als Waffe
Zivile Opfer sind real, tragisch, erschütternd. Doch in der Debatte werden sie zur Propagandawaffe. Jedes tote Kind wird zum Beweis einer „Absicht“, jede Zahl – egal woher – zur Wahrheit erklärt. Dass viele dieser Zahlen direkt aus den Pressestellen der Terrororganisation stammen, die Zivilisten als Schutzschilde missbraucht, wird unterschlagen. Wer darauf hinweist, dass Quellen wichtig sind, wird diffamiert: „Sie leugnen tote Kinder!“ – eine perfide Verdrehung.
5. Die Inflation des Begriffs „Genozid“
Das Wort „Genozid“ wird heute so leichtfertig benutzt wie ein Schlagwort in einer Schlagzeile. Doch juristisch ist es das höchstschwere Delikt, ein Intentionsdelikt: Vernichtungsabsicht muss nachgewiesen werden. Opferzahlen allein reichen nicht.
Und trotzdem: Statt Beweise werden Parolen geliefert. Statt juristischer Prüfung gibt es moralisches Urteil aus der Hüfte. So wird der schlimmste aller Begriffe banalisiert – und echte Genozide relativiert.
6. Täter-Opfer-Umkehr
Das perfideste Muster: Die Ursache verschwindet. Das Massaker, der Überfall, die Geiseln – all das tritt in den Hintergrund. Plötzlich steht nicht mehr die Terrororganisation am Pranger, sondern der Staat, der sich verteidigt. Genau das war die Pointe meiner Luxemburg-Analogie:
– In Deutschland würde jede Regierung reagieren. SPD, CDU, Grüne, FDP, sogar die Linke.
– Niemand würde sagen: „Lasst uns deeskalieren, auch wenn 12.000 ermordet wurden und 2.000 verschleppt sind.“
– Niemand würde einen Kanzler, der militärisch handelt, „rechtsextrem“ nennen.
Und doch: Bei Israel wird genau das behauptet. Die Verteidigung wird zum Verbrechen erklärt, die Aggression verschwindet aus dem Bild.
7. Infantiler Pazifismus als Feigenblatt
„Gewalt ist nie eine Lösung“ – klingt edel, ist aber in Wahrheit Realitätsverweigerung. Ja, in jedem Krieg sterben Zivilisten. Aber die Verantwortung liegt bei dem, der den Krieg begonnen hat, nicht bei dem, der sich verteidigt.
Dieser infantile Pazifismus entlastet Täter, weil er Opfer und Verteidiger mitbeschuldigt. Er fordert das Unmögliche – eine Verteidigung ohne zivile Opfer – und nennt jede Abweichung davon „unverzeihlich“. Das klingt nach Humanismus, ist aber nichts anderes als moralische Bequemlichkeit.
8. Der Kern der Manipulation
Man verschweigt die Ursache (das Massaker).
Man überhöht die Folge (zivile Opfer) zum alleinigen Thema.
Man schiebt die Schuld vom Täter auf den Verteidiger.
Man ruft das härteste Vokabular („Genozid“), ohne Beweise.
Und man verkauft das Ganze als „Moral“.
Selektive Empörung ist keine Moral
Wer sich weigert, nüchtern zu fragen, wer angefangen hat, wer Täter und wer Opfer ist, der betreibt keine Aufklärung, sondern Propaganda.
Wer Genozid schreit, ohne Beweise, der macht sich nicht zum Verteidiger der Menschenrechte, sondern zum Brandstifter der Begriffe.
Und wer Israel das Recht auf Selbstverteidigung abspricht, während er gleichzeitig eine Terrororganisation verharmlost, der verrät nicht nur Logik, sondern auch das Grundprinzip universeller Moral:
Die Verantwortung für den Krieg trägt immer der, der ihn begonnen hat.
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