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Gerhard Wanner: Ein katholischer Priester aus Vorarlberg über Ungarn im Jahr 1900 – Teil 4

von BK
26. August 2025
in Politik, Vorarlberg
Lesezeit: 12 mins read
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Gsi.News Chefredakteur Bandi Koeck (links) mit Prof. Gerhard Wanner vor seiner Vorarlbergensien-Bibliothek im Domizil Bazora. Foto: derpodcaster.com

Gsi.News Chefredakteur Bandi Koeck (links) mit Prof. Gerhard Wanner vor seiner Vorarlbergensien-Bibliothek im Domizil Bazora. Foto: derpodcaster.com

Die heutigen Themen sind Frauen, Erziehung und Bildung, Kultur, Wohnen und Bauen sowie Kleidung. Gsi.News sind die Ersten, welche das noch unveröffentlichte Buch als Serie bringen dürfen: Mit diesem Buch legt Univ.Prof. Dr. Gerhard Wanner den bislang einzigen Bericht eines Vorarlbergers über ungarische Kultur vor – ein ethnologisches Pionierwerk, das seiner Zeit weit voraus war. Der Text, der heute der sozialen und kulturellen Ethnologie zuzuordnen ist, entstand noch bevor in Ungarn selbst 1889 die wissenschaftliche Ethnologie begann.

Frauen

Der junge Priester Hartmann interessierte sich nicht nur für Politik und Religion, sondern erstaunlich auch für ungarische Frauen, verständlich – vorerst nur im Zusammenhang mit Glaube und Religion. Er hatte mit eigenen Augen erlebt, wie bei den Prozessionen und Kirchenfesten Frauen und Mädchen die überwiegende Mehrzahl ausmachten. Er hielt auch die zahlreichen weiblichen Klosterschulen für das „stärkste Bollwerk“ gegen den Unglauben. Sie wirkten durch ihre Erziehung in unzählige Familien und verbreiteten damit „das Licht des Christengottes, das wahre Licht“ gegen die Feinde, das Freimaurertum, den Liberalismus und die Sozialdemokratie. „Diese braven starken Frauen!“ (29. 12. 03) Daneben gab es auch eine andere Gruppe von Frauen, von denen sich Hartmann Hoffnung erwartete:

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Eine tüchtige Stallmagd stiftet mehr Nutzen und ist für die menschliche Gesellschaft mehr wert, als ein ganzes Theater voll hochgebildeter Stadtdamen, denen Arbeit und Kinder Torheit, ihre Männer Ärgernisse und Dienstboten Versuchskaninchen sind. (20. 11. 03)

Solche Frauen kannte er zur Genüge aus seiner Montafoner Bergheimat. „Stadtdamen“, erfuhr Hartmann mit Entsetzen, hätten in Budapest einen Schönheitswettbewerb und eine Modenschau abgehalten. Für ihn ein „Narrenhandel“, ein „Selbstbetrug“, der so schnell wie die Eisenbahn fahre. Die etwa neidischen Vorarlberger Leserinnen tröstete der Priester damit, sie seien auch mit Schönheitsfehlern begehrt. Denn wenn die Männer heirateten, meine doch jeder, dass seine Frau die schönste sei (12. 1. 04).

Bildung für Frauen sei in Ungarn nicht erwünscht. „Es genügt, wenn die Frauen so viel wissen, daß sie sich, wenn es regnet, nicht unter die Traufe stellen“ – so kolportierte das Vorarlberger Volksblatt die Rolle ungarischer Mädchen und Frauen. Budapest war jedoch eine kleine Ausnahme, denn dort war um die Jahrhundertwende der „Landes-Frauenbildungsverein“ gegründet worden. Er unterhielt Elementarschulen, Bürgerschulen, ab 1896 ein Mädchengymnasium mit staatsgültigen Prüfungen, es folgten Lehrerinnenbildungsanstalten. Anlässlich eines Frühstücks erfuhr er von der Schwester des Domherrn, es seien gerade die Frauen, „die die zartesten Schwingungen der Volksseele“ beachteten und verstünden. Sie hätten das „geistige Auge für das Kleine“, aber nicht zum Philosophieren. Hartmann philosophierte dann auch mit dieser „Dame“ nicht – „wir plauderten von Sitten und Moden“ (6. 11. 03).

Der neugierige Priester nahm sich die Zeit, sich selbst ein konkretes Bild über ungarische Frauen zu machen. Er scheute sich nicht, in Budapest die Markthalle an der Franz Josefs-Brücke zu besuchen, wo ihm ein kaum vorstellbares „Rauschen von Frauenzungenlärm“ entgegenschlug. Eine „Evastochter“ mit einem „spitzen Mundwerk“ machte ihm dazu ein Kommentar:

Aber diesem schwachen Geschlecht hat Gott eine Wehr gegeben, die uns stark und gefürchtet macht. Es ist unser Mundstück. Das ist darum das Beste, was Gott gemacht hat. (22. 1. 04)

Wesentlich intimer und informativer war sein wohl einmaliger Besuch in der Schlafkammer einer jungen Frau, noch dazu der Einblick in ihren Kleiderkasten. Dort hatte die Frau dreißig Röcke gelagert. „Im Ganzen habe sie vierzig […] so was hatte ich noch nie gehört“ (9. 10. 03).

Von weiblicher Unterwäsche zur Sexualität war es nur ein kleiner Schritt, und ihr widmete der Priester gar einen eigenen Zeitungsbeitrag (Nr. 9). Es begann damit, dass der aufmerksame Betrachter in der Kirche auf den für Jungfrauen reservierten Plätzen kaum Frauen sah, die älter als 24 Jahre waren. Sein Begleiter klärte auf: In Ungarn seien die meisten Mädchen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren bereits verheiratet. Bei dieser Aussage, so Hartmann, werde sich wohl manches Vorarlberger Mädchen denken: „wenn ich nur ein ungarisches Mädchen gewesen wäre“. Unverheiratete über 26 Jahren seien schon „alt und stammten meist auch aus armen Verhältnissen“. Sie seien in der Kirche nicht zu sehen, „die haben sich in einem Winkel der Kirche versteckt“.

Das war Hartmann dann doch zu viel, und er hielt daher, zumindest gegenüber seinen Lesern in Vorarlberg, mit seiner Kritik nicht zurück: Diese jungen Mütter seien nicht in der Lage, Kinder zu erziehen – Kinder könnten nicht von Kindern erzogen werden. Die Folge seien „Ungarn, die wohl zornen und fluchen und tapfer dreinschlagen, aber nicht folgen können“. Die Erziehung liege dann bei den Großeltern – die jungen Frauen arbeiteten ja auch in der Landwirtschaft. „Aber diese Ahnenerziehung taugt auch nichts“.

Und schließlich kam das zentrale Thema der „Jungfräulichkeit“ zur Sprache. Die jungen Ehen führten dazu, dass die jungfräuliche Keuschheit nicht zu Ansehen gelange. Es fehle bei diesen Frühehen „jener sittliche Kampf für die jungfräuliche Keuschheit, der gut gekämpft, das sicherste Unterpfand für eheliche Frauentreue ist“. Außerdem komme bei den wenigen noch vorhandenen Jungfrauen der klösterliche Frauenberuf „nicht zur Blüte“. Es sei daher verständlich, dass sich in den vielen ungarischen Frauenklöstern meist ausländische Frauen befänden. Hartmann sah in den Frühehen jedoch auch Positives: Denn dort, wo spät geheiratet werde, stehe es mit der Sittlichkeit der Mädchen „miserabel“, und Bezug auf seine Heimat nehmend, beklagte er die „abscheuliche und fluchwürdige Volksunsitte langjähriger Bekanntschaften“. Solche Frauen seien „in der Gewalt des Teufels“, weil ihnen der „Schutzwall jungfräulicher Schamhaftigkeit“ fehle. Den Ungarn empfahl er, ähnlich wie in Vorarlberg, die Förderung von Jungfrauenkongregationen und die Pflege der 3. Orden (29. 9. 03).

Erziehung und Bildung

Bei diesem Thema kam Ungarn schlecht weg, Hartmann übte scharfe Kritik. Er war aus dem Kronland Vorarlberg gekommen, das kein Analphabetentum kannte, ein entwickeltes lokales Schulnetz besaß und vor allem eine Reihe weiblicher und männlicher Klosterschulen und Internate. Hunderte von Klosterfrauen wirkten an sämtlichen Volksschulen, und die höhere Mädchenbildung lag ausschließlich in den Händen von Orden, wie auch die gesamte Lehrerbildung. Dagegen in Ungarn: Er hörte, dass die Hälfte der Bevölkerung weder lesen noch schreiben konnte, unter den Frauen waren die Prozentzahlen noch wesentlich höher. Es sei unter diesen Umständen erklärlich, warum die Ungarn für eine Verfassung „nicht reif“ seien (24. 11. 03). Das mangelhafte Schulwesen trage zusätzlich dazu bei. Die „guten“ konfessionellen Schulen wiederum würden von den Gemeinden an den Staat „verschachert“, um zu Geld zu kommen. „Es gibt überhaupt kaum materialistischere Körperschaften als es die Gemeindevertretungen sind.“ Dort, wo dies nicht geschehe, wo sich vor allem höhere Klosterschulen zu behaupten vermochten, liege dies ebenfalls am Geld. Der Staat sei nämlich nicht in der Lage, die zehn Benediktinergymnasien zu finanzieren, die für ihren Unterhalt und die Bezahlung der Professoren selbst aufkämen (30. 10. 03).

Schlimm stehe es auch um die Studenten. Früher hätten diese nämlich den „Kopf zum Studium“ gebraucht, jetzt als Platz für Hiebwunden. Es handelte sich um so genannte liberal-nationale Schlagende Verbindungen (12. 1. 04). Ein Universitätsprofessor berichtete dem staunenden Vorarlberger Priester, dass an der juridischen Fakultät 80% der Studenten bei den Prüfungen durchfielen, „und das regelmäßig“. In der Theologie seien es dagegen nur 2%. Erstere seien jene, die „als verlorene Söhne“ das Eigentum der Eltern verschwendeten und noch dazu die „sittliche Kraft und die Religion“ verloren hätten. Aus solchen Studenten rekrutiere sich dann das ungarische Beamtentum! Eine „unwissende Laienintelligenz erster Klasse“. Und in ihrer Stellung führten sie den Kampf gegen Religion, Kirche und die so genannten „dummen Pfaffen“ (22. 12. 03).

Der Staat bekämpfe auch erfolgreich den Jesuitenorden, der daher kaum mehr einen Nachwuchs besitze. Die Folgen wirkten sich auf die Erziehung der Kinder aus. In ihren Schulen hätten die Schüler noch Gehorsam und Disziplin gelernt. Damit sei es in Ungarn jetzt aus. Die Kinder spielten zu Hause das „Herrgöttle“, würden ihren Eltern nicht mehr „folgen“, und diese wagten auch nicht mehr körperliche Züchtigung. Diese Einstellung widerspreche aber der Bibel, dem Wort Gottes. Hartmann belehrend: „Auch die Kinder müssen das Kreuz tragen. Und das Kinderkreuz ist die Rute und pünktlich gehorchen.“ Wenn sich diese „Elternverblendung und Kinderverderbnis“ fortsetze, dann würden, so wie in Ungarn, auch bei den Deutschen keine Buben mehr in die Klöster eintreten – diese forderten nämlich strenge Disziplin und Unterwerfung (3. 11. 03).

Kultur

Für den engagierten Priester aus Vorarlberg, der in seiner Heimat gerade das Ende des Kulturkampfes zwischen Liberalismus und der siegreichen katholischen Kirche miterlebt und mitgetragen hatte, war das Interesse für die kulturellen Verhältnisse in Ungarn groß. Da er zu Beginn seiner Reise nur kirchlich-katholische Kulturzentren zu Gesicht bekam, kam keine Beunruhigung auf. Das änderte sich schlagartig in Budapest. In vier Zeitungsfolgen beschäftigte er seine Leser mit Schilderungen und kulturpolitischen Überlegungen. Was er da sah, im Nationalmuseum und diversen Galerien – an „Verirrungen moderner Kultur“, überbot die Vorstellungswelt des biederen Priesters aus der bäuerlich geprägten „Provinz“ seiner Herkunft. Über einen Besuch im Nationalmuseum notierte er:

Aber wozu z. B. hart neben einem Gekreuzigten ein nacktes Weibsbild, wozu neben einem erhabenen Geheimnisse des Christentums die liederlichste Darstellung aus einer Göttersage. […] Unglaube und Unsittlichkeit sind eben zwei Kerne der modernen Kultur.

Diese „trügerische Fortschrittstufe“ führe die Menschheit in den Abgrund einer noch nie dagewesenen Barbarei, und sie werde „im Schlamm von Blut und Kot zugrunde gehen […] mit dem Schrei der Verzweiflung auf den sterbenden Lippen“. Hartmann sah erstmals in seinem Leben im Nationalmuseum Bilder von „aller Nacktheit mit rohester und widernatürlichster Unsittlichkeit“. Selbst die „alten Heiden“ wären lange nicht so schlecht, so schamlos gewesen. Aber als Trost für den Vorarlberger: Sie seien an der „Unsittlichkeit, am schließlichen Zerfall jeglicher Tatkraft bei allem äußeren Glanz untergegangen“.

Schlimmes vernahm er auch, als er im Budapester „Stadtwäldchen“ von Budvár einen Spaziergang unternahm. Seit 1897 gebe es dort öffentliche Theater, Tänze und Musik, bei denen es derart unsittlich zugehe, dass dieser „feuerspeiende Krater einer modernen versunkenen Großstadt“ seine „Lava der Unsittlichkeit“ über die ganze Welt „gespien“ habe. Beruhigender war sein Besuch einer Ausstellung von Künstlern der ungarischen „Sezession“. Unsittliches fand er dort bei den einen neuen Kunststil suchenden Künstlern nicht. Ihre Sucherei schien ihm „dumm und blind“, gedankenlos, oberflächlich. „Allerdings hat auch schon manche blinde Henne ein gutes Korn gefunden.“

Hartmann hatte somit im fernen Budapest einen wahren Kulturschock erlitten. Aber kämpferisch veranlagt, gab er nicht auf und rebellierte, schmiedete Pläne, wie allgemein dem Kulturverfall und der städtischen Unsittlichkeit entgegenzutreten war. Ob er dies gegenüber seinen ungarischen Priesterkollegen äußerte, ist nicht bekannt. Aber seine Leser und Leserinnen in Vorarlberg erfuhren davon, falls sie es nicht schon aus der heimatlichen Praxis wussten. Um gegen die Verirrungen der modernen Kultur anzukämpfen, müsse auf allen Gebieten des Lebens Kulturarbeit geleistet werden, jeder in seinem Beruf. Vor allem sei es Aufgabe der Klöster, „angestrengteste und ausgebreitetste Tätigkeit für Unterricht und Volkserziehung“ wieder in die Hand zu nehmen (16. 10. 03). Und es gehe letztlich darum, den ideologischen Gegner zu erkennen. Neben den Juden war dies die Aufklärung:

Was wir Aufklärung nannten, war Torheit, was wir Freiheit nannten, war der ärgste Mißbrauch der menschlichen Freiheit, und die äußerlich glanzvollste Kultur ohne Glaube an die Sünde und deswegen inwendig voll sittlicher Fäulnis, war es, unter deren Trümmern die Menschheit heute begraben wird. (5. 1. 04)

Hartmann reiste wohl nach diesem großstädtischen Kulturtrauma mit Freuden nach Vorarlberg zurück, wo es diese Erscheinungen noch nicht gab und wo sie mit aller Härte bekämpft worden waren und wurden. Hier war noch Hoffnung zu schöpfen.

Gesang und Tanz, Speise und Trank

Hartmann gab zu, dass ihm die „Natur die Gabe des Gesanges“ versagt habe, daher wolle er sich auch über Musik nicht äußern. Nur so viel: Was ihn bei den ungarischen Gottesdiensten „förmlich begeisterte“, war der „Volksgesang“. Kirchenchöre, wie in Vorarlberg, gebe es nicht, was auch der Domherr, sein musikalischer Reiseleiter, bedauerte, als er in Vorarlberg auf Besuch war (25. 9. 03). Dagegen äußerte sich Hartmann ausführlich, wenn es um das Tanzen ging. Da waren die Ungarn sogar ausnahmsweise Vorbilder für ihn: Es werde nicht so viel getanzt wie in Vorarlberg, und vor allem – es gebe keine geheimen Tänze, so genannte „Winkeltänze“ wie zu Hause. Bei Zigeunermusik tanze man in den Dörfern dreimal im Jahr, zu Fasching, zu Kirchweih und zu den Hochzeiten. Und wehe dem Mädchen, das nach dem Tanz allein mit einem Burschen nach Hause gehe. Es würde verachtet von der ganzen Gemeinde. In Vorarlberg sei es dagegen möglich, dass Mädchen allein und ohne Aufsicht zum Tanze ausgingen. Der Teufel lege dann seine „bewährte Schlinge der Unsittlichkeit“ aus. „Für alle Fälle kann unser Volk von den Ungarn hierin lernen“ (2. 10. 03).

Die ersten Erfahrungen machte Hartmann mit ungarischen Tischsitten in Ödenburg (Sopron). Dort servierte ihm der Domherr aus seinem reichhaltigen Angebot ungarischer Schnäpse ein Gläschen. Das musste jedoch „auf einmal“ ausgetrunken werden. Hernach gab es eine „Zigarre guter Sorte“. In einem Gasthaus der Stadt wurde er aber auch mit „Szegediner Paprika“ konfrontiert. Es war wohl ein Gulasch, an das er sich erst wegen des starken Paprikas gewöhnen musste. Und schließlich erschien die Mutter des Pfarrers zum Nachtessen mit „gesottenen Türkenkolben, Kukurutz“. Hartmann wusste vorerst nicht damit umzugehen, machte dann einen Versuch und „war aber sofort zufrieden“. Obwohl die Mutter dieses ungarische Lieblingsgericht „bis in die Sterne erhob“, konnte sich Hartmann eine Bemerkung nicht verkneifen: „Das Lieblingsgericht der Ungarn ist bei uns das Lieblingsgericht jener Tiere, welche der verlorene Sohn gehütet hat.“ Es wurde allerseits tüchtig gelacht (22. 9. 03).

Hartmann bekam in den Dörfern auch „Haus und Stall“ zu Gesicht, staunte über die Selchereien und Backstuben und das „Paradezimmer“ auf der Straßenseite. Für den Bergbewohner aus dem Montafon, wo es keine Landwirtschaft gab und die Bevölkerung ständig an Nahrungsmittelmangel litt, erregten die „Fruchtkammern“, die ungeheuren Kornspeicher seine Bewunderung. Und er beneidete wohl die auf dem Feld arbeitenden Bauern: „Da leben sie von drei Dingen, von Speck, Brot und Schnaps.“ Vor allem der Schnaps sei sehr beliebt: In Domherrs Pfarrei würde dieser für jährlich 30.000 Gulden konsumiert! (13. 10. 03)

Kleidung

Die Kleidung eines Vorarlberger Geistlichen war im Allgemeinen schlicht und bescheiden. Wie sehr hob sich in Ungarn die Kleidung der Reichen davon ab, die er bei den Festumzügen sah. Ein farbenprächtiges „Galakostüm mit fliegendem Mantel und Hermelin“ koste 4.000 Kronen – Hartmanns Einkommen in etwa zehn Jahren! (17. 11. 03) Aber auch der Messner seines Domherrn war gut gekleidet: Er trug gewaltige hohe Stiefel bis unter die Knie, darüber starke Lederhosen mit Laden, Gilet und kurzem Rock mit großen Überschlägen, beides mit reichem silbernem Knopfschmuck versehen (25. 9. 03).

Weniger Begeisterung empfand Hartmann für die Frauenkleidung. Er war erstaunt über das „runde“ Aussehen der Mädchen, bis er erfuhr, dass sie am Körper bis zu 40 Röcke trugen. Was ihn „kränkte“, war, dass die Landbevölkerung keine „rechte Volkstracht“ mehr trug. Und auch die Volkstracht der Slowakinnen in den langen Stiefeln, ihren buntgenähten Frauenschuhen aus Tuchstoffen, bunten Kopftüchern und „Baumwollfetzen in allen Farben […] konnten meine Erwartungen in dieser Hinsicht nicht befriedigen“. Als der ungarische Domherr meinte, die Volkstracht, die nur an Sonntagen getragen werde, könne erhalten werden, hielt dies Hartmann für „einen frommen Wunsch“. Ähnlich verhalte es sich in Vorarlberg. Nur wenn man den Bauern die „Selbstachtung“ zurückgebe, könne der Trend zur Mode aufgehalten werden. Und solch eine „Modedame“ traf Pfarrer Hartmann ausgerechnet in der Klosterbibliothek vom Martinsberg (Pannonhalma), wo sie ihrem Mann bei dessen wissenschaftlicher Arbeit half:

Ich dachte: ganz recht, wenn sie daneben auch eine Suppe kochen, einen Strumpf flicken und ein Hemd waschen kann. Hätte gerne danach gefragt, doch es war nicht schicklich. (30. 10. 03)

Als er noch ihren reich geschmückten Hut sah, den er für einen „versteinerten Polypen“ hielt, kam er zu folgendem Ergebnis:

Daß Kleidungsstücke die sinnlosesten und verrücktesten Formen annehmen dürfen, sobald sie Mode sind. Solches Modeunwesen, wenn auch oft unschuldig wie Kinderspiel, ist jedenfalls ein Armutszeugnis für das Menschengewächs. (30. 10. 03)

Wohnen und Bauen

Bereits zu Beginn seiner Reise wurde der Landpfarrer in ungarische Bauernhäuser geführt, er bekam auch etliche Pfarrhäuser zu Gesicht. Selbst das Pfarrhaus war auf dem Land einstöckig. „Diese niederen Häuschen haben mich mehr als alles andere auf der ganzen Reise in Staunen gesetzt.“ In Ungarn widerspiegle die Einrichtung noch die „wohltuenden“ Standesunterschiede, während es in Vorarlberg in vielen Stuben der Dörfer „hübscher und nobler“ als in einem ungarischen Pfarrhof sei. Er hob vor allem die Empfangszimmer oder „Paradezimmer“ hervor, die der sprechendste Beweis für die ungarische Gastfreundschaft seien. „Die große Gastfreundschaft der Ungarn ist wohl eine Mitgift ihrer orientalischen Abstammung.“ Und schließlich gab es eine Besonderheit zu sehen – nämlich mitten in den Stuben Betten mit Vorhängen! Wohn- und Schlafzimmer waren somit dasselbe. Hartmann hielt dies aus gesundheitlichen Gründen nicht für gut, aber witterte noch andere, weit schlimmere Mängel. Wo blieb die Sittlichkeit, trotz der Vorhänge? Sein Begleiter beruhigte jedoch, da die Knechte und die Buben im Pferdestall schliefen. „Das ist eigentlich wieder ganz natürlich, denn der Ungar ist vor allem ein Liebhaber der Pferde“ (2. u. 9. 10. 03).

Tags: KulturUngarnVorarlberg
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