Ein Abend der kritischen Zeitgeschichte im Theater am Saumarkt

Johannes Spies und Horst Schreiber im Saumarkt. Foto: Bandi Koeck

Vor vollem Haus sprach der aus in Tirol wirkende Historiker Dr. Horst Schreiber mit Wurzeln aus dem Ländle im Theater am Saumarkt über sein Buch „Das Unternehmen Swarovski im Nationalsozialismus“, das sich mit der NS-Geschichte des Unternehmens auseinandersetzt. Die Veranstaltung zeigte eindrucksvoll, wie lebendig, kontrovers und zugleich kenntnisreich historische Forschung vermittelt werden kann.

Pointierte Analyse mit Humor und Schärfe

Der bekannte Innsbrucker Historiker, Herausgeber zahlreicher Studien zur Geschichte und Politik, präsentierte seine fundierten Forschungsergebnisse pointiert, sarkastisch und mit einer feinen Prise Humor. Schreiber beleuchtete dabei die Rolle der Familie Swarovski im Nationalsozialismus, die wirtschaftlichen Profite des Unternehmens in der Kriegszeit sowie den Umgang mit dieser Vergangenheit in der Nachkriegszeit.

„Das Unternehmen Swarovski förderte bereits vor dem Anschluss Österreichs politische Organisationen, die einen Führerstaat zum Ziel hatten. Alfred Swaroski war Leiter der Gauwirtschaftskammer Tirol-Vorarlberg, Daniel Swarovski Ehren-Illegaler der NSDAP, Friedrich Swarovski jun. ein Denunziant.“ Nicht unerwähnt blieb auch der aus Frankreich stammende jüdische Finanzier Armand Kosmann in der Frühphase des Unternehmens (damals hieß es „Glasschleiferei Wattens“) rund um den aus Böhmen stammenden Daniel Swarovski sen. sowie die späteren Beziehungen führender Familienmitglieder zum NS-Regime. Schreiber zeigte auf, wie früh und wie intensiv sich einzelne Mitglieder der Familie politisch positionierten und welche Vorteile daraus für das Unternehmen erwuchsen: „Wilhelm, Manfred, Friedrich und Sohn sowie Daniel jun. traten bereits 1932/33 der Partei bei.“

Quellenarbeit live auf der Bühne

Ein besonderer Akzent des Abends war die Lesung originaler Quellen durch Johannes Spies, Netzwerkkoordinator von erinnern.at und Obmann der Johann-August-Malin-Gesellschaft. Die nüchterne Sprache der Dokumente – Mitgliedsnummern, Funktionen, Ehrentitel – stand in starkem Kontrast zur späteren, lange gepflegten Unternehmensnarration und verlieh dem Vortrag zusätzliche Eindringlichkeit.

Bildanalyse: Zahlen, Mitgliedschaften und Verflechtungen

Die im Vortrag gezeigten Folien unterstrichen Schreibers Argumentation anschaulich:

Diese visuelle Verdichtung von Zahlen und Namen wirkte auf das Publikum ebenso nüchtern wie erschütternd und machte deutlich, dass es sich nicht um Randaspekte, sondern um strukturelle Verflechtungen handelte.

Schreibers Fazit zur Zeit nach 1945: „Die Entnazifizierung der Familie Swarovski ist ein repräsentatives Beispiel für den nachsichtigen Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten aus der Wirtschaftselite, die über einflussreiche Netzwerke verfügten und für den Wiederaufbau unentbehrlich waren.“

Enttäuschung über fehlende Reaktionen

Offen zeigte sich Schreiber enttäuscht darüber, dass seine Forschung medial bislang nur wenig Resonanz gefunden habe. Auch vom Unternehmen selbst habe es – abgesehen von einer als „Hinhaltetaktik“ empfundenen Reaktion – keine substanzielle Stellungnahme gegeben, so Schreiber. Zur Sprache brachte der Historiker auch den Antrag von Familienmitgliedern, Liechtensteinische Staatsbürger zu werden, was im Anschluss beim Publikum weitere Fragen aufwarf und weiterdiskutiert wurde.

Musikalische Umrahmung und lebendige Debatte

Musikalisch umrahmt wurde der Abend vom Kathman Duo – Folk von Nord bis Ost: Katharina Schwärzler an Geige und Gesang sowie Stefan Mangers am Akkordeon sorgten für eine dichte, stimmige Atmosphäre, die dem ernsten Thema Raum zum Nachklingen gab.

Unter den Gästen befanden sich unter anderem Dr. Werner Bundschuh (Dornbirn), Dr. Philipp Schöbi (Feldkirch) und Dr. Kurt Greußing. Die anschließende Diskussion verlief engagiert und stellenweise erhitzt – ein Zeichen dafür, dass Schreibers Thesen trafen und zur Auseinandersetzung herausforderten.

Ein gelungener Abend mit Nachhall

Im Foyer signierte Dr. Horst Schreiber im Anschluss mehrere Bücher, viele Gespräche setzten sich informell fort. Der Abend machte deutlich, wie wichtig eine kritische, unabhängige Aufarbeitung von Unternehmensgeschichte ist – gerade dann, wenn sie unbequem bleibt.

Ein besonderer Dank gilt Sabine Benzer, der Hausherrin des Theater am Saumarkt, für die Organisation und den Rahmen dieser gelungenen Veranstaltung.

Der Vortrag war nicht nur ein historischer Rückblick, sondern ein Impuls zur aktuellen Erinnerungskultur – und wird vielen Besuchern nachhaltig in Erinnerung bleiben.

Buchtipp:

Horst Schreiber: Das Unternehmen Swarovski im Nationalsozialismus

ISBN: 978-3-7065-6481-6 erschienen im Studienverlag und als Band 33 Studien zu Geschichte und Politik (Gaismair)

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