Wilfried Kohler – Der Telefonbuchzerreißer von Watzenegg
Wenn man heute in Dornbirn-Watzenegg den Namen Wilfried Kohler erwähnt, beginnen die Leute zu schmunzeln, zu staunen – oder beides. Denn dieser Mann, Jahrgang 1952, ist etwas wie eine lebende Sage: der Telefonbuchzerreißer, der am 5. Dezember 1995 im fernen Rostock auf der Bühne von Wetten, dass..??? bei Thomas Gottschalk die Alpenrepublik und die Millionen Zuschauer vor den Fernsehgeräten in Staunen versetzte. Und das mit einem Objekt, das in den 90ern noch zu den härtesten Dingen im Haushalt gehörte – dem Telefonbuch.
Text, Bilder und Podcast: Bandi Koeck
Der Mann, der aus Versehen zum Wettkönig wurde
Dabei fing alles ganz unspektakulär an: In Dornbirn organisierte Wilfried jahrelang einen eigenwilligen Fünfkampf mit Disziplinen, die heute vermutlich in jedem Arbeitsschutzhandbuch unter „bitte niemals nachmachen“ aufscheinen würden. Da wurde mit Mittelfingern gezogen, am Boden mit dem Hals gestoßen und die Fäuste quer über Tische geschoben. Kraft war Wilfried also nicht fremd – aber Telefonbücher? Die hatte er bis dahin nicht einmal zerrissen gesehen.
Dann kam der legendäre Trainingsnachmittag in Tirol: Dort wurden Teilnehmer für eine Kraftsportveranstaltung getestet, und der Test bestand aus – natürlich – Telefonbüchern. Wilfried bekam ein Innsbrucker Exemplar in die Hand, schaute kurz, lachte ein bisschen… und riss es einfach entzwei. Auf Anhieb. Ohne zu wissen, dass das irgendjemanden beeindrucken würde.
Ab da nahm die Geschichte ihren eigenen Lauf: Wettbewerbe, Vorarlberger-Ausscheidungen, Proben mit Holzsägen und Schwedensägen – und schließlich der Anruf vom ZDF. Ein Kamerateam reiste an, Wilfried zeigte seine Kräfte, und kurze Zeit später hieß es: „Herr Kohler, wir hätten da eine Show in Rostock…“

Rostock 1995 – und Gottschalk mit Gummibärchen
Die Proben in Rostock verliefen chaotisch, aber erfolgreich. Eine Generalprobe? Brauchte Wilfried nicht. Ein 600-Gramm-Steak am Abend davor? Ja, bitte. Ein paar Schnäpse? Gehören für das Dornbirner Urgestein und den leidenschaftlichen Schnapsbrenner selbstverständlich dazu. Im Podcast betonte er, dass er ein paar Flaschen Schnaps mit im Gepäck hatte und einen nervösen Dortmunder Wettkandidaten, der mit Gummibändern Kerzen ausmachen wollte und bei der Generalprobe gescheitert war, zum Schnapstrinken animierte: „An Schluck Schnaps schadat nia!“
Beim Sektfrühstück mit Thomas Gottschalk am Wett-Tag selbst lockerte der Moderator Teilnehmer mit seiner unverkennbaren Art heiter auf, während Wilfried ruhig blieb wie ein Mann, der eben aus Watzenegg kommt und schon ganz andere Sachen gesehen hat.
Als er dann auf die Bühne trat, war alles wie weg: Lampenfieber, Kameras, Publikum – nur Wilfried und das Papier. Und dann riss er los. Achtelte sogar. Die Halle tobte. Gottschalk grinste. Und der Wettkönig des Abends hieß:
Wilfried Kohler aus Watzenegg, Telefonbuchzerreißer aus Leidenschaft – oder zumindest Talent.

Nach der Show: 500 Bücher, Wiener Paletten und der Eintrag ins Guinness-Buch
Die nächsten Jahre wurden nicht ruhiger:
- Wilfried zerriss 500 Telefonbücher in der Dornbirner Messehalle.
- Ein Verlag schickte ihm völlig kommentarlos acht Paletten voller Wiener Telefonbücher – ein Albtraum für jeden Postboten, ein Fest für Kohlers Oberarme.
- Am Karrenberg stellte er sich einem Rekordversuch und zerriss 340 Wiener Telefonbücher, schön aufgelegt von der oberen bis zur unteren Linie eines Fußballfelds.
- Dafür landete er im Guinness Buch der Weltrekorde – als Mann, der offiziell mehr Telefonbücher zerreißt als irgendein anderer Mensch auf dem Planeten.
Und während andere ihren Ruhm ausschlachten, blieb Wilfried der bodenständige Dornbirner, der lieber für ein soziales Projekt reißt – und dafür maximal eine Wurst und ein Bier verlangt.
Der Schnapsbrenner, der Weinmann und der Mann mit den starken Fingern
Außerhalb des Telefonbuchuniversums ist Wilfried ein kreativer Tausendsassa:
Gelernter Bodenleger, lange Zeit Leiter der Postabteilung der Stadt, leidenschaftlicher Schnapsbrenner, Hersteller des berühmten „Pumuckl“-Himbeergeists für die Weltgymnaestrada, Lieferant für besondere Anlässe, Enzian-Ausgräber und Produzent hochprozentiger Spezialitäten.
Weinhandel? Auch das.
Schnaps? Seine Leidenschaft.
Telefonbücher? Sein Mythos.
Und wenn man ihn heute trifft, 30 Jahre später?
Er wird immer noch darauf angesprochen – fast täglich. Und er erzählt davon, als wäre es gestern gewesen: humorvoll, bescheiden und mit diesem ganz speziellen Dornbirner Charme.
Factbox Wilfried Kohler
Name: Wilfried Kohler
Geboren: 1952
Wohnort: Watzenegg, Dornbirn (Vorarlberg)
Bekannt durch:
- Telefonbuchzerreißer bei Wetten, dass..? am 5. Dezember 1995 in Rostock
- Wettkönig der Sendung
Rekorde & Leistungen:
- Zerriss während der Show mehrere Telefonbücher in Rekordzeit
- Später 500 Telefonbücher in der Dornbirner Messehalle
- Anschließend 340 Wiener Telefonbücher auf einem Fußballfeld
- Eintrag im Guinness Buch der Weltrekorde
- Pokal mit der Aufschrift „Weltmeister“ erhalten
Karriere & Tätigkeiten:
- Bodenleger und Raumausstatter
- Leiter einer Postabteilung
- Veranstalter eines traditionellen Kraft-Fünfkampfs
- Schnapsbrenner in Familientradition
- Produzent von Spezialbränden wie Enzian, Zirbe, Gin, Marille
- Weinhandel im kleinen, feinen Rahmen
Besonderheiten:
- Hat Telefonbücher achteln können
- Zog Kraft aus handwerklicher Arbeit und bäuerlicher Mithilfe
- Wurde im Podcast von Bandi Koeck ausführlich zu seiner Geschichte interviewt
- Wird bis heute regelmäßig auf seinen legendären TV-Moment angesprochen
Philosophie:
Für eine gute Sache reißt er immer noch gern ein paar Bücher –
und zufrieden ist er, wenn es dafür eine Wurst und ein Bier gibt










