Das Geiseldrama von Israel – ein Land zwischen Schmerz, Mut und Hoffnung
Von Anatoli Loucher
Von Tel Aviv bis Jerusalem – ganz Israel hielt den Atem an.
Nach über 700 Tagen in Gefangenschaft kehrten heute die letzten israelischen Geiseln zurück.
Was an jenem Oktobermorgen geschah, war mehr als eine Nachricht – es war ein Moment, der Geschichte schrieb.
Das Licht kehrt zurück
Die Sonne über Tel Aviv tauchte die Stadt in goldenes Licht.
Menschen hielten sich in den Armen, Kinder schwenkten Fahnen, Tränen mischten sich mit Lächeln. Auf den Leinwänden am Geiselplatz liefen die ersten Bilder der Heimkehr: erschöpfte Männer, die aus Fahrzeugen des Roten Kreuzes stiegen – geblendet vom Tageslicht, das sie zwei Jahre lang nicht gesehen hatten.
Ein leises Flüstern ging durch die Menge: „Sie sind frei.“
Am 13. Oktober 2025 endete eines der dunkelsten Kapitel Israels.
Die Hamas übergab dem Roten Kreuz die letzten 20 überlebenden Geiseln – Männer, Väter, Brüder, Söhne – sowie die Leichname weiteren Entführten. Es war kein Tag des Sieges, sondern einer der Erlösung.
Der Anfang des Grauens
Zwei Jahre zuvor, am 7. Oktober 2023, überfiel die Terrororganisation Hamas Israel.
Innerhalb weniger Stunden wurden 1.200 Menschen ermordet, Hunderte verletzt und etwa 250 Zivilisten – Frauen, Kinder, Alte – in den Gazastreifen verschleppt.
Sie verschwanden in ein Labyrinth aus Tunneln, als menschliche Schutzschilde und als Druckmittel. Wochenlang wusste niemand, wer noch lebte. Familien wachten bei Kerzen und Fotos – in der Hoffnung auf ein Zeichen.
Ein Volk steht zusammen
Auf dem Geiselplatz in Tel Aviv entstand eine Bewegung, die das Land zusammenschweißte.
Nacht für Nacht brannten Kerzen, Fremde wurden zu Freunden, der Ruf „Bringt sie heim!“ hallte durchs Land.
Ende November 2023 vermittelte Katar die erste Feuerpause: 105 Geiseln kamen frei – vor allem Frauen und Kinder. Israel entließ im Gegenzug 150 Häftlinge. Doch über hundert Menschen blieben verschwunden.
Der zähe Weg der Rückkehr
Das Jahr 2024 brachte kaum Erleichterung. Zwischen militärischem Druck und diplomatischem Ringen kämpfte Israel um jedes Leben. Erst im Januar 2025 gelang die Freilassung von 33 weiteren Geiseln – viele abgemagert, traumatisiert, aber lebendig.
Und dann, im Herbst 2025, kam der letzte, schmerzlichste Austausch.
Der Preis der Rettung – eine schmerzliche Wiederholung
Für die Freilassung der letzten Geiseln zahlte Israel einen hohen Preis:
Nahezu 1.900 palästinensische Gefangene kamen frei – darunter mehrere verurteilte Mörder mit mehrfach lebenslangen Haftstrafen.
Viele Israelis fühlten sich an das Jahr 2011 erinnert, als im Austausch für Gilad Schalit über 1.000 Häftlinge freikamen – unter ihnen Yahya Sinwar, einer der späteren Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober 2023.
Diese Erinnerung sitzt tief. Die Freude über die Heimkehr ist groß, doch sie mischt sich mit Furcht:
Dass Geschichte sich wiederholen und erneut aus Gnade Gewalt erwachsen könnte.
Nach der Heimkehr – zwischen Licht und Schatten
Insgesamt 155 Geiseln überlebten. 75 Menschen kehrten nie zurück – unter ihnen der Säugling Kfir, Symbol einer Unschuld, die der Krieg ausgelöscht hat.
Für die Heimkehrer beginnt nun der Weg der Heilung. Israel atmet wieder, doch der Atem trägt die Erinnerung an zwei Jahre Dunkelheit – und an ein Versprechen, das kein Volk je aufgeben darf: Niemand wird zurückgelassen.
Als die Sonne über Tel Aviv aufging, rief die Menge:
„Am Yisrael Chai – das Volk Israel lebt.“
Und in diesem Ruf lagen Schmerz, Stolz – und das unbeirrbare Bekenntnis zum Leben selbst.
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