Die Enthüllungen über sexuellen Missbrauch im SOS-Kinderdorf erschüttern viele – besonders, weil sie mit einem Namen verbunden sind, der bislang nahezu unantastbar erschien: Hermann Gmeiner, Vorarlberger aus dem Bregenzer Wald, Gründer des internationalen Hilfswerks, vielfach ausgezeichnet, mit Büsten und Straßennamen geehrt, gefeiert als Inbegriff des Gutmenschen.
Doch die aktuelle Berichterstattung zeigt: Auch Gmeiner selbst steht nun im Verdacht, sich an Kindern vergangen zu haben – jenen, die er zu schützen vorgab. Der Vorwurf wiegt schwer. Er trifft nicht nur eine Einzelperson, sondern auch das System, das ihn umgab – ein System, das über Jahrzehnte schwieg, wegsah, und damit mögliches Leid nicht nur duldete, sondern begünstigte.
„Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken“, sagt ein Sprichwort. Es trifft auf viele Institutionen zu, in denen Macht, Autorität und Tabuisierung zusammenkommen – gerade im Bereich der Kinderbetreuung. Die verzögerte Aufarbeitung, die das SOS-Kinderdorf nun angekündigt hat, ist zwar ein Schritt, kommt aber zu spät für viele Opfer.
Es braucht unabhängige, externe Kontrollinstanzen, nicht nur interne Ethikkommissionen. Wer mit Kindern arbeitet, trägt eine besondere Verantwortung – auch gegenüber der Gesellschaft. Es darf keinen Schutzraum für Täter geben – nirgendwo.
Auch die öffentliche Ehrung von Hermann Gmeiner muss neu bewertet werden: Straßennamen, Schulen, Säle und Statuen – sie alle erzählen eine Geschichte. Wenn diese Geschichte nun dunkle Kapitel enthält, dann müssen auch die Symbole überdacht, neu benannt oder entfernt werden – wie es bei anderen historischen Figuren geschehen ist, deren Ansehen nicht mehr tragbar war.
Diese Debatte ist unbequem, aber notwendig. Erinnerung darf nicht Lüge sein, und Ehrung darf nicht auf Kosten der Opfer gehen.











