Zu meinen unerfüllbaren Träumen zählt ein Werbeverbot auf den sozialen Medien. Wehe, du hast einmal die Webseite eines Fahrradherstellers aufgerufen. Dann wirst du für Monate mit Vorschlägen für Drahtesel eingedeckt.
Von Dr. Albert Wittwer
Der Internetkosmos kennt mein Alter, da hat er zunächst beschlossen, ich litte an Übergewicht, was nicht der Fall ist. Er lernte dazu: Jetzt bekomme ich Vorschläge für Treppenlifte und Energiebooster.
Das Werbeverbot sollte unbedingt auch für Politiker gelten. Die gehen dazu über, ihre meist entbehrlichen Weisheiten, statt in Pressekonferenzen zu diskutieren, auf SM zu posten. Schlimmer noch ist die permanente persönliche Werbung, für die sie mehrere Assistentinnen und Fotografen von uns bezahlen lassen und die sie – ich fürchte auf unsere Kosten – buchen. Wer einmal zufällig den Besuch des bedeutenden Landwirtschaftsministers in der Provinz miterlebt hat, weiß, wovon ich schreibe.
Die Minister werden eigentlich von uns für ihre Arbeit für die Gemeinschaft bezahlt, verwenden aber ihre theoretisch, man beachte ihre Bezüge, wertvolle Arbeitszeit für das Posieren. Sie verwechseln wohl vielfach ihren täglichen Internetauftritt mit echter Arbeit. Nur mühsam und in vielen Versuchen konnte ich mich der Botschaften eines wichtigen österreichischen Oppositionspolitikers entschlagen. Das Werbeverbot beträfe auch die von den Gebietskörperschaften geschaltete Werbung für Verwaltungs- und Regierungsaktivitäten. Auch dafür bezahlen wir, ungewollt.
Die Werbefreiheit bedeutet, dass Wahlwerberinnen, die dafür kein Geld haben oder nicht von Interessenten finanziert werden, chancenlos bleiben. Ein Verlust an demokratischer Legitimation. Immerhin gibt es in Österreich einen zivilisierten, kleinen Bruder eines Werbeverbotes: die Beschränkung und Offenlegung von Spenden an politische Parteien.
Aus für die Influenzerinnen. Wie viele Tonnen CO2 können eingespart werden, wenn die uns in Ruhe lassen müssen! Zurück ins Theater, ins Kino oder das Festspielhaus. Festlich gekleidet unter echten Menschen. Welche Verbesserung der psychischen Gesundheit wird erreicht, wenn wir nicht mehr versuchen, den KI-glattgebürsteten Schönheiten nachzueifern.
Es ist wahr, daß durch mein bürokratisches Verbot zahlreiche Jobs verloren gehen. Aber keinerlei gesellschaftlicher Nutzen wird eingebüßt. Es ist ein konservativer Irrtum, dass bezahlte Arbeit mit Zunahme des Wohlstandes zwangsläufig verbunden sei. Vielmehr schrumpft der Wohlstand, wenn – sagen wir die Breite einer zweispurigen Autobahn bei bestehendem Tempolimit zulasten der Bodenversiegelung vergrößert wird – usw.
Warum ich trotzdem auf den sozialen Medien bleibe? Dort sind praktisch alle meine Freundinnen und Freunde und entfernter lebenden Verwandten vertreten. Die posten gelegentlich, was sie interessiert. Also bin ich dort irgendwie mitgefangen. Und würden die SM entrümpelt, bekäme ich noch besser mit, was sie tun.
Anmerkung: „Wer nicht wirbt, der stirbt“ Zitat: Henry Ford