Matthias Strolz: Sei Pilot deines Lebens – Das Interview

(c) Andreas Hofer

Zu unserem einjährigen Bestehen stellen wir euch einen ganz besonderen Gsiberger und Wahlwiener vor: Matthias Strolz, Begründer der Partei NEOS, Unternehmer, Reisender, Ehemann, Familienvater, Buchautor und vieles mehr. Im Exklusivinterview spricht er über Vergangenes, Gegenwärtiges wie Zukünftiges, über Politik wie auch Corona – und wie er damit umgeht.

Von Bandi Koeck

Gsi. News: In deinem Bestseller „Sei Pilot deines Lebens“ erläuterst du detailliert auch deine persönliche Neuorientierung, quasi vom Spitzenpolitiker weg zu neuen Pfaden. Wie wichtig ist es, dass sich Menschen von Zeit zu Zeit neu orientieren?

Matthias Strolz: Die Zukunft ist ein Raum, den wir nicht willenlos betreten, als Opfer oder ohnmächtige Passagiere. Sie ist ein Raum, den wir miterschaffen. Wir Menschen sind zutiefst schöpferische Wesen. Wir alle verändern uns laufend. Wenn du zum Beispiel Vater bist und genau auf deine Rolle schaust, wirst du erkennen, dass du sie heute anders lebst als vor fünf Jahren. Detto für Mütter. Und das gilt auch für den Job. Selbst wenn du deinen Beruf schon zehn Jahre machst – du machst ihn heute anders als vor fünf Jahren. Und du wirst ihn in drei Jahren wieder anders machen. Weil die Welt sich dreht, weil alles im Wandel ist. Da macht es doch nur Sinn, sich gut zu orientieren und gelegentlich Richtung zu geben, damit es sich nicht falsch verwächst. Wir sind zur positiven Entfaltung eingeladen.

Gsi.News: In Kerala in Indien hast du – wie im Buch beschrieben – wieder zu dir gefunden. Muss man sich manchmal zuerst verlieren, um sich am anderen Ende der Welt wiederzufinden?

Strolz: Es hat mir damals, Anfang 2019, einfach saugut getan, mal alles für drei Wochen hinter mir zu lassen. So richtig loszulassen – Beruf, Familie, Sachzwänge, Gewohnheiten, Alltagsroutinen. Die sieben Jahre Spitzenpolitik waren sehr dicht. Davor war ich zwölf Jahre emsig im Unternehmensaufbau unterwegs. Die Kinder halten uns sehr auf Trab. Ich liebe all das. Doch es ist auch wichtig, Räume für sich selbst zu schaffen. Da musste ich auch noch einiges lernen – mein Bandscheibenvorfall hat mir dabei geholfen. Ein Einkehrschwung bei uns selbst tut uns gut – Körper, Geist und Seele baumeln lassen. Dann kommen wir auch gut bei uns selbst an, in der eigenen Mitte.

Gsi.News: Sehr schön beschreibst du die sog. „5 Schritte zur persönlichen Entfaltung“, welche plausibel erklärt sind. Allerdings hat das Leben meist andere Ziele, oder um es mit den Worten von Alfred Hitchcock zu sagen: „Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!“ Welchen Tipp hast du für solche Situationen?

Strolz: Ich finde Pläne super. Und noch besser, wenn wir bereit sind, sie loszulassen, wenn uns das Leben unterwegs noch was Stimmigeres anbietet. Unser Leben ist ein ewiges Werden, hin zur Reife. Es verläuft nicht linear. Wenn wir achtsam gehen – mit offenem Geist, offenem Herzen und offenem Willen –, dann sind wir auch fähig und bereit, die Einladungen unterwegs zu sehen und anzunehmen. Ich finde Bergtouren-Gehen mit der Stoppuhr völlig daneben. Das sind die Leute, die unterwegs die Blumen nicht sehen, nicht den Adler, der kreist, nicht die freundliche Person, die ein Stück des Weges mitgehen wollte, nicht den alternativen Gipfel, der winkt.

Gsi.News: In deinem neuen Buch – ebenfalls ein Bestseller – „Kraft & Inspiration für diese Zeiten“ warten 17 kurze Geschichten aus dem Leben darauf, entdeckt zu werden. Was war die Intention dieses Buches und wie sein Entstehungsprozess?

Strolz: Im Lockdown 1 habe ich gemerkt, dass ich unrund laufe. Da habe ich mich gefragt: Was ist jetzt wichtig? Was tut mir jetzt gut? Und dann hab‘ ich beschlossen, ein kleines Buch zu diesen Fragen zu machen. Schreiben sortiert mich – es tut mir gut. Und ich freue mich, dass mir Leute via Email oder auf anderen Kanälen schreiben, dass ihnen das Buch auch gut tut. So war es gedacht.

Gsi.News: Die Coronakrise hat viele aus der gewohnten Bahn geschmissen. Was ist für dich die wichtigste Erkenntnis aus Lockdowns, Massentestungen, Fernunterricht und Home Office?

Strolz: Gerade in Zeiten grober Verwerfungen müssen wir die Selbstfürsorge hochhalten. Wer sich liebevoll um sich selbst kümmert, kümmert sich um die ganze Welt. Wem will ich gut sein, wenn ich zu mir selbst nicht gut bin? Selbstfürsorge ist das Fundament, auf dem wir aufbauen, um uns kraftvoll und dienstvoll in die Gesellschaft einbringen zu können.

Gsi.News: Kommen wir kurz auf die Politik zu sprechen: Ist die von dir gegründete Partei NEOS, eine designierte Bürgerpartei, heute dort, wo du sie dir erträumt hast oder gibt es noch Verbesserungspotential?

Strolz: Sie entwickelt sich gut. Es geht Schritt für Schritt voran. Die Bewegung wächst und übernimmt mehr Verantwortung – zuletzt in der neuen Koalition in Wien. Auch lokal wachsen die Wurzeln – gerade gelang der Einzug in St. Pölten. Ich habe stille Vaterfreuden. Verbesserungspotenziale gibt es immer, sicherlich zuhauf. Aber ich habe mir ein öffentliches Schweigegelübde auferlegt. Wenn der „Altbauer“ geht, soll er entschlossen zur Seite treten und nicht vom Balkon aus maulen.

Mit story.one-Gründer Hannes Steiner (links)

Gsi.News: Du bist Mitbegründer von story.one. Welche Tipps kannst du Jungautoren geben oder jemanden, der etwa seinen Gedichtband veröffentlichen möchte?

Strolz: Tun! Und es ist so einfach auf www.story.one. Alles selbsterklärend. Schreiben ist eine wunderbare Form des Sich-Sammelns, des Sich-Zeigens, des Sich-Teilens. Ich merke, wie vielen Menschen das unglaublich guttut. Wir haben jetzt über 37.000 Geschichten online. Hunderte Menschen haben ihr erstes Buch gemacht. Da sind so viel Freude und Inspiration unterwegs, dass mein Herz fröhlich tanzt.

Gsi.News: Und welche drei Bücher würde ein Matthias Strolz mit auf eine einsame Insel nehmen?

gsi.News: Vivian Dittmars „Das Innere Navi“ hatte ich zuletzt auf einer Insel mit dabei. „Der Prophet“ von Khalil Gibran ist ein ewiges Meisterwerk. Und „Hundert Jahre Einsamkeit“ von Gabriel García Márquez, falls mir länger Zeit bleibt.

Gsi.News: Wäre da auch ein Zeitungsabonnement mit dabei respektive wie kommst du persönlich zu deinen Nachrichten?

Strolz: Das habe ich in den letzten Jahren alles auf online umgeschichtet. Da schaue, lese und höre ich meine Nachrichten. Punktuell nehme ich mir dann noch Zeit für eine Print-Zeitung oder ein Magazin. Ich bin auf so vielen Kanälen unterwegs – von Twitter, Facebook, Instagram, LinkedIn bis zu Xing –, dass ich jeden Tag in Reizen und Impulsen bade. Ab und an muss ich schauen, dass es nicht zu viel wird.

Gsi.News: Wie oft bist du im Ländle anzutreffen und was fehlt dir in Wien am meisten von hier?

Strolz: Unregelmäßig. Aber meist zwei Mal pro Jahr mit den Kindern ein paar Tage auf Familienurlaub. Dazwischen gibt es auch immer mal wieder berufliche oder private Termine. Aber ja, es ist nicht ums Eck von Wien aus.

Gsi.News: Bist du aktuell an einem neuen Buchprojekt dran?

Strolz: Jawohl. Ich habe gerade einen Vertrag mit einem großen deutschen Verlag in Finalisierung. Und ich bin auch schon am Schreiben – ich führe Gespräche mit einem Baum. Eine Reise durch die großen Lebensfragen der Menschheit und an meinen ganz persönlichen „Inneren Ort“. Den Geheimnissen des Lebens auf der Spur. Im Frühjahr 2022 sollte es dann veröffentlicht werden.

Gsi.News: Gsi.News – Nachrichten für Vorarlberg feiert heute den einjährigen Geburtstag. Welche Tipps kannst du uns mit auf unseren Weg als Newcomer in der monopolistischen Vorarlberger Medienlandschaft geben?

Strolz: Ich gratuliere. Drablieba! Ich habe so viel Respekt für alle Gründer, Pioniere und beherzten Anpacker. Ihr habt bewiesen, dass ihr sachliche Leidenschaft habt, dass ihr es könnt und dass ihr langen Atem habt. Möge euch das weit tragen! Alles Gute wünsch ich euch und frohes Anstoßen zum Geburtstag. Feiern ist auch wichtig. Habediehre und Hons guat!

Herzlichen Dank für das anregende und offene Gespräch!

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