Diese Frage stellte der Sender SRF 2 Kultur seinen Hörern – und ließ sie darüber abstimmen, siehe unten.
Von Dr. Albert Wittwer
Die Frage ist leicht zu beantworten. In den Diktaturen besitzen die Machthaber jeweils ein riesiges Vermögen. Wegen der vielen Menschen, die sie gefoltert und ermordet haben, können sie nicht zurücktreten. Im Kontext innerstaatlicher, bewaffneter Repression durch „Sicherheitskräfte“, sorgfältiger Überwachung der Bürger, kontrollierter Medien einschließlich der netzbasierten, ist ein Umsturz, eine Systemänderung unwahrscheinlich.
In den noch existierenden Demokratien kaufen sich die Superreichen, was sie wollen. Sie reservieren beispielsweise für ein erfundenes Event Teile der einzigartigen Lagunenstadt Venedig. Die sind dann weder für die Bürger der Stadt noch für die Eintritt zahlenden Touristen zugänglich. Weder der Amazon-Haupteigentümer noch seine aktuelle Geliebte sind in Venedig „in den Hafen der Ehe gesegelt“ (ORF Schlagzeile). Denn sie sind jeweils mehrfach geschieden und haben nirgends, auch nicht in Venedig, aktuell ein Standesamt besucht. Kirchlich können sie sowieso nicht mehr heiraten. Der Tausch von Ringen beim Portal einer edlen Kirche – bloße Show. Von Heirat keine Spur. Aber auch die Qualitätsmedien folgen fromm der Werbebotschaft.
Wollen wir uns mit dem Quatsch, den uns die Superreichen servieren, wirklich unterhalten? Sie bewundern, ihnen – auf verlorenem Posten – nacheifern?
Die „bloß“ Reichen können im Verborgenen leben, die klügeren unter ihnen tun es auch. Sie spenden an Parteien oder in den USA den Republikanern nahestehende Medien oder Akademien, ganz legal. Das ist ja für die Demokratie kaum nützlich, wenn die Medien gesponsorte Botschaften vermeintlich ganz harmlos verbreiten. Daher kann die Demokratie ohne öffentlich-rechtliche Medien und einige transparente Qualitätszeitungen nicht überleben.
Die Superreichen aber haben viel mehr zu verlieren als bloß das Einbrechen der Aktienkurse. Bei ihnen geht es tatsächlich um ihre eigene Freiheit – weil ohne Delikte – Beispiele aus Österreich sind uns allen bewusst – konnten sie ihren Status weder erlangen noch könnten sie ihn erhalten.
Die völlig offen zur Schau getragene Gier von Amtsträgern in Ungarn und den USA wird sogar in Österreich und Deutschland von bedeutenden politischen Parteien ignoriert. Ihre primitiven Botschaften über Schmarotzer unter den Einwanderern, zum nicht existenten Klimawandel bis zur freien Fahrt für freie Bürger gefallen beträchtlichen Teilen der Bevölkerung. Was für eine schöne Ablenkung. Das Weltbild bleibt heil. Also muß niemand den Lebensstil ändern – es genügt, wie bisher weiter zu konsumieren, außer bei Überschwemmungen, und bei Einwanderern endlich durchzugreifen.
Ein Vermögensregister oder gar ein Register der Letztbegünstigten von Schachtelgesellschaftskonstruktionen und Stiftungen – Fehlanzeige. Die dafür notwendigen Gesetze wissen sie zu verhindern. Weit verbreitet ist unter mittelständisch vermögenden Personen und ihren harmlosen Steuerberatern die Lüge, Transparenz würde die Superreichen („das Kapital – ein scheues Reh“) zum Flüchten, zum Auswandern bewegen. Das würde dem Wirtschaftsstandort schaden. Die Clique der international tätigen Beratungsgesellschaften will sowieso, daß alles so bleibt, wie es ist. Weil Ihre Honorare sind ungeprüft, unprüfbar und unvorstellbar gesalzen. Wirecard und Benko Prime lassen grüßen. Ein Biotop.
Die Hörer von SRF 2, im Mutterland des europäischen Kapitalismus Schweiz, beantworten die eingangs gestellte Frage mit einem klaren Urteil:
Bedrohen die Superreichen die Demokratie?
Debatte von
3489
377
Ja
91%
Nein
9%
Siehe: https://dialog.srf.ch/de/talk/debat/les-ultra-riches-menacent-ils-la-democratie/?wt_mc=owned.own_website.dialog.srf.dialog.perlebox.debate.