40.000 Kilometer Willenskraft – Die Deutschlandreise des Björn Richter

Björn Richter. Foto: Bandi Koeck

Über acht Jahre hinweg legte Björn Richter insgesamt über 40.000 Kilometer zurück – nicht als ein einziger Lauf, sondern als bewusste Etappenreise durch alle Himmelsrichtungen der Republik. Er übernachtete in Hütten, trug sein Hab und Gut im Rucksack, und durchquerte zu Fuß Bundesländer, Städte, Dörfer und Landschaften. Die Strecke von Deutschlands südlichstem Punkt nahe Oberstdorf, über das flache Norddeutschland, den Westen an der französischen Grenze, bis ganz in den Osten an die polnische Linie – das ist nicht nur sportlich beeindruckend, sondern ein einmaliger Erfahrungsraum, der ihn tief geprägt hat.

Er begegnete Menschen, Landschaften und sich selbst – intensiv, entblößt, ungefiltert. „Wenn man denkt, man kann nicht mehr, hat man eigentlich erst 20 Prozent seiner Kapazität ausgeschöpft“, sagt er. Diese Haltung trägt ihn durch Nächte, Schmerzen, Blasen, Hungerphasen – und über Kilometer, die für die meisten Menschen unvorstellbar sind.


Ultraläufer aus Leidenschaft

Was als lockeres Jogging begann, wurde zur Sucht nach Strecke. Seine persönliche Benchmark: 5.000 Kilometer pro Jahr. „Ich wollte fit genug sein, um jederzeit aufstehen und einen Marathon laufen zu können“, sagt er. Er lief 100 Meilen am Stück – zweimal – beim Berliner Mauerweglauf. 161 Kilometer ohne Schlaf, mit Erbrechen ab Kilometer 80, aber ohne Aufgeben. Selbst als der Körper streikte, blieb sein Wille unerschütterlich.

Doch es war nicht die offizielle Wettkampfatmosphäre, die ihn faszinierte. Es waren die allein durchgeführten Mehrtagesläufe, fernab von Applaus und Medaillen. Autark, auf sich selbst gestellt, manchmal acht Stunden lang auf einer acht Meter hohen Brücke in Schleswig-Holstein auf- und ablaufend, um Höhenmeter zu simulieren. Der Extremsport in seiner rohesten Form – still, fordernd, kompromisslos.


Körper als Maschine, Geist als Antrieb

Björn Richter ist ein Extremtyp – nicht nur im Sport. Seit über zwölf Jahren lebt er vegan. In einer Szene, in der tierisches Eiweiß lange Zeit als Leistungsgrundlage galt, beweist er das Gegenteil. Nüsse, Datteln, Marmeladenbrötchen, Pasta – pragmatisch, kalorienreich, pflanzlich. Trotz der Belastung und eines Gewichtsverlusts auf 62 Kilo blieb er leistungsfähig. Heute, nach seinem sportlichen Rückzug, wiegt er wieder 82 Kilo, betreibt regelmäßig Krafttraining – „alles oder nichts“, wie er selbst sagt.

Seine Wahrnehmung während der Läufe schärfte sich. Die Reize intensiver, die Emotionen tiefer. Er schildert Momente der Rührung, des Ergriffenseins – etwa beim Anblick einer Mutter mit ihrem kranken Kind. „Im normalen Leben hätte ich nicht geweint. Aber da – da war alles viel echter.“


Ein Lehrer, der vorlebt

Im Alltag unterrichtet Björn Richter an einer Berufsschule in Neumünster. Seine Erfahrung, Disziplin und sein minimalistischer Lebensstil machen ihn zum Vorbild weit über den Sport hinaus. Für ihn ist Bewegung keine Freizeitbeschäftigung – sie ist ein Lebenskonzept. Ein Weg zu körperlicher Selbstachtung und geistiger Erdung.


Factbox: Björn Richter

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