Bandis Koecktail: 80 Jahre langes Desinteresse an Gedenken

Bombenangriff auf Feldkirch. Bild: Dr. Silvia Reichart

Heute, am 1. Oktober jährte sich der US-Bombenangriff auf Feldkirch-Tisis zum 80. Male. Der bekannte Historiker Dr. Wolfgang Weber hielt an der Pädagogischen Hochschule einen spannenden und fundierten Vortrag mit Fokus auf die Erinnerungskultur. Im Anschluss fand eine rege Diskussion mit Zeitzeugen, Zweitzeugen und Historikern statt.

Es fielen Begriffe wie „Trauma“, aber auch „Terror“. Gerade letztere Bezeichnung ist eindeutig der NS-Staatspropaganda zuzuschreiben und hat sich im kollektiven Gedächtnis bis heute gehalten. Wie Dr. Weber treffend formulierte, wurden die Toten vom SS-Staat vereinnahmt und als NS-Propaganda missbraucht. Just am Ort des Vortrags, dort wo einst die Lehrerbildungsanstalt war, befindet sich bis heute keine Erinnerungstafel oder ein Gedenkstein. Die Katholische Kirche habe aus Bombensplittern ein Kreuz gemacht, das beim Antoniushaus zu finden ist.

Der Historiker fragte sich, warum sich die Feldkircher und auch die Vorarlberger Politik so schwer mit diesem Gedenken tut? „Sie kümmern sich wenig darum und überlassen es der katholischen Kirche“. Weber führte weiter aus: „Wenn es staatspolitisch Sinn machen kann, Kriegstote wie jene des US-Bombenabwurfs auf Feldkirch am 1. Oktober 1943 aus dem öffentlichen Erinnern zu streichen, dann muss auch die Verantwortung für das materielle Erbe des NS-Staates, etwa der Carinastollen, negiert werden. Denn eine Wahrnehmung des Stollens wäre dann ja wiederum ein Eingeständnis, dass Österreich und seine Gemeinden doch eetwas mit dem NS-System zu tun gehabt hätten.“

Das Gedenken von der katholischen Kirche in Tisis. Bild: Dr. Silvia Reichart

In seinem Resümee regte er daher an, aus dem Carinastollen in Tisis einen öffentlichen Gedenkort für die Toten des US-Bombenangriffs vom 1. Oktober 1943 zu machen, mit dem Land Vorarlberg und Stadt Feldkirch ein Erinnerungszeichen setzen können, das auf den Erkenntnissen der Friedenspädagogik beruhend eine grundlegende und nachhaltige Auseinandersetzung nicht nur mit diesen Toten des NS-Regimes, sondern mit allen seinen Verantwortlichen hier in Vorarlberg, hier in Feldkirch anstrebt.“ Der Stollen, den 37 Nachbarn gemeinsam errichtet haben, befindet sich in Privatbesitz. Er wurde damals nach dem Angriff vom 1. Oktober quasi nach dem Motto „Wenn der Staat uns keine Bunker baut, dann graben wir uns ein Erdloch“ errichtet. Er bot Platz für 100 Personen und war bis Kriegsende 1945 in Verwendung. 11 dieser 37 Nachbarn waren Mitglieder der NSDAP, darunter der bekannte Rechtsanwalt Jakob Gorbach, der bereits 1933 als Ortsgruppen- und Propagandaleiter im Bezirk aktiv war. Das heutige Besitzerehepaar würde es – ich habe sie direkt danach gefragt – sehr begrüssen, wenn die Stadt aus dem viel zu langen Dornröschenschlaf erwachen würde und endlich handelt, sprich daraus das macht, was es sein sollte: Eine Gedenkstätte und ein Mahnmal!

Der Carinastollen in der heutigen Jesuitengasse. Bild: Dr. Silvia Reichart

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