Heute schließt der Großteil der Freibäder von Gsiberg, darunter auch das älteste Schwimmbad des Landes, das Schwimmbad Felsenau. Wir möchten dies zum Anlass nehmen und unsere Rubrik jemandem ganz besonderen widmen: „Gsibergerin der Woche“ ist die 95-jährige Feldkircherin Walpurga Peiskar Furtenbach, die wohl als wichtigste Zeitzeugin dieses geschichtsträchtigen Bades bezeichnet werden darf.
7.000 Besucher weniger
Lassen wir zuerst einmal Zahlen sprechen: 1903, also vor 117 Jahren wurde das Schwimmbad Felsenau eröffnet. Der älteste Badegast ist 95 Jahre. Wir haben gerade die Statistik der heute zu Ende gehenden Badesaison erhalten: Im Schwimmbad Felsenau gab es in der heurigen Badesaison 27.000 Besucher. Zum Vergleich: Letztes Jahr waren es insgesamt 34.000. Für Bademeister Helmut und auch seinem Mitarbeiter Hamid sei es aber eine durchaus erfolgreiche Badesaison gewesen. Die beiden werden die kommenden Tage noch mit Aufräumarbeiten alle Hände voll zu tun haben.
Lebenslange Leidenschaft
Walpurga Peiskar Furtenbach, welche Freunde und Kinder liebevoll „Burgi“ nennen, ist 95 Jahre alt – besser gesagt jung – und kommt „immer, wenn das Wetter schön ist“, wie sie uns gestern erzählt hat, von Feldkirch in die Felsenau. Begleitet wird sie von ihrem Sohn und dessen Freund. Es ist ein Bild für die Götter: Das Trio ist tagein, tagaus an selber Stelle anzutreffen. Die altehrwüridge Badekabine Nr. 77 dient als liebgewonnene Umkleide, eine Stelle auf der Liegewiese daneben ist fix für sie reserviert und während sie ihre Schwimmübungen macht, die vorwiegend aus elegantem Rückenschwimmen bestehen, sitzen die beiden braungebrannten Herren, die ihre Begleitung sind, im Kioskbereich bei einem Bierchen, lesen Zeitung oder auf ihren Handys.
Badehaube und Dusche
Vom Liegeplatz links neben dem Kiosk schreitet sie unterstützt durch Krücken Richtung Becken. Vor der Duschkabine zieht sie ihre pinkgenoppte Badehaube auf. Die warme Dusche ist für sie stets obligatorisch. Kurze Zeit später geht sie über die Treppen ins Becken: „Da ich nicht mehr gut zu Fuß bin, wollte mein Sohn, dass ich nicht mehr über die Leiter einsteige. Ich gehe aber nur ins Nichtschwimmerbecken, wenn so wenig los ist wie heute. Wenn ein Schwimmkurs mit Kindern ist, dann bitte ich immer einen Herrn, er möge mir die Leine hochheben, damit ich auf die andere Seite in den Schwimmerbereich kann“ schmunzelt sie.
Wassertemperatur: 18 Grad
Die Tochter eines Juristen liebt das tägliche Bad in der Felsenau und weiß auch die aktuellen Wassertemperaturen von 23 bis 24 Grad sehr zu schätzen: „Früher gingen wir meistens bei 15, 16 Grad zum Schwimmen. Hatte es mal gar 18 Grad, so fanden wir es fein warm“ überkommt sie beim Gedanken an frühere Zeiten ein Lächeln. Kein Wunder, war ein Teil des Beckens 4 Meter tief, schließlich gab es einen Fünf-Meter-Sprungturm und ein Drei-Meter-Sprungbrett. Damals sei sie auch vom Fünfmeter gesprungen, nur um sich selbst zu beweisen, dass sie sich das trauen würde. Es sprudelt nur so aus ihr: „Das Becken musste früher alle paar Wochen entleert werden, weil sich Algen gebildet hatten. Das Wasser kam von einem Fluss direkt von Amerlügen herunter.“ Sie ist sich auch sicher, dass immer wenn es 18 Grad „warm“ war, der Bademeister ein Schild aufgehängt habe mit der Aufschrift „Morgen wegen Reinigung geschlossen“. Chlor und Grander kannte man zu dieser Zeit noch nicht und die Bademeister hätten fest die Ränder saubergeschrubbt.
Schwimmen lernen am Seil
Obwohl die Familie gerne zum Wandern in die Berge ging, sei ihrem Vater wichtig gewesen, dass sie Schwimmen lernte. In der Volksschule war Peiskar-Furtenbach zum ersten Mal – man schrieb das Jahr 1932 – im Schwimmbad Felsenau. „Der damalige Bademeister, der alte Egle, zog mich an einem langen Seil, bis ich schwimmen konnte.“ Die Kabinen seien allesamt noch Original, aber früher sei das Becken mit Kabinen gänzlich umrandet gewesen, bis man einige dann versetzt habe. Auch den Kiosk habe es natürlich nicht gegeben: „Mit meinem Vater fuhren wir öfters mit dem Zug nach Hohenems und von dort liefen wir nach Diepoldsau in die benachbarte Schweiz. Dort war das Wasser viel wärmer, aber wir haben immer das Essen von zuhause mitgenommen, denn in der Schweiz war alles viel teurer als bei uns und mein Vater pflegte immer zu sagen: ‚den Schweizern lassen wir kein Geld da!'“
Geschlechtergetrenntes Baden
Vor dem Zweiten Weltkrieg mussten Männer und Frauen getrennt kommen: Zuerst zwei Stunden die Männer, dann zwei Stunden die Frauen und so weiter. Man sei rein zum Schwimmen gekommen – ohne Kinder versteht sich. „Erst unter Hitler wurde diese Geschlechtertrennung aufgelassen“ weiß Purgi und fügt hinzu: „Nach dem Krieg 1945 haben die französischen Besatzer das Bad verwendet und für die hiesige Bevölkerung geschlossen.“ Auf dem Rücken liegend betrachtet sie die Badegäste, wie ein erfahrener Wal, der seine Längen zieht, als wäre es das natürlichste von der Welt. Es scheint, dass sie jeden Winkel genau kennt: Nach der Schule hat die rüstige Dame eine Ausbildung für Lehrer gemacht – während des Krieges im Jahr 1943 in Berlin. 40 Jahre lang war Burgi als Volksschullehrerin tätig. Burgi hat zehn Längen geschwommen und geht die fünf Stufen zum Beckenrand hoch, schnappt sich ihre Krüken, geht die drei Stufen hinunter und setzt sich auf eine Bank vor dem Kiosk. Sie zieht ihre pinke Badehaube, die sichtlich in die Jahre gekommen ist, ab und trocknet sich mit einem Handtuch Haare und Haut. Sie wirkt zufrieden mit sich, auch wenn sie früher alle anderen Schwimmstile beherrscht habe. Doch das Kraulen ginge in ihrem Alter nicht mehr und das Brustschwimmen habe ihr der Hausarzt verboten.
Skifahren bis 90
Vor einigen Jahren hatte sie einen Bluteinlauf im Halswirbelbereich, wobei das Rückenmark beschädigt wurde. „Ich war dann einige Zeit komplett querschnittgelähmt.“ Aber auf einmal habe sie die Zehen wieder bewegen können und begonnen, sich wieder langsam zu bewegen. „Zuerst mit Radfahren liegend im Bett. Dann konnte ich wieder stehen und habe auf das Stand-Rad gewechselt. „Mein Arzt sagte u mir, maximal zweimal am Tag eine Viertelstunde“ grinst sie über beide Ohren. „Ich habe dann aber doch zweimal eine halbe Stunde daraus gemacht“ so Peiskar. Früher sei sie auch regelmäßig Ski gefahren. Ihr Vater war Alpinist und Tourengeher. Bis zu ihrem 60. Lebensjahr ist sie ausschließlich mit Tourenski und Fell unterwegs gewesen. Von da an habe sie gesagt, dass sie lieber Lift fahren würde. „Zum letzten Mal bin ich kurz vor meinem 90. Geburtstag auf Skiern gestanden“ so die sportliche Feldkircherin. Heute sei es nur mehr das Schwimmen, das sie regelmäßig ausübe. Abgesehen von den Übungen, die sie täglich im Bett mache. Dazu gehören Streck- und Gleichgewichtsübungen auf dem Gymnastikball – auch am Beckenrand macht sie diese Übungen: „Im Wasser geht es viel leichter“ ist sie sich sicher.
Wie jeden Tag wenn das Wetter schön ist, kommt Burgi bereits um 9 Uhr wenn das Schwimmbad öffnet und geht kurz nach Mittag, um pünktlich um 13 Uhr wieder zuhause zu sein: „Buben, wir gehen“ gibt sie das Kommando und wartet auf dem Bademeisterstuhl neben der Kassa, bis die beiden Herren auch so weit sind. „Disziplin muss sein und Bewegung ist in meinem Alter das Wichtigste!“