Warum Transparenz unsere Freiheit sichert

Von Dr. Albert Wittwer

Wie sichert der demokratische Rechtsstaat unsere Freiheiten?

Auch durch Transparenz.

Nicht so sehr, indem wir alle fünf Jahre wählen. Sondern in der Kontrolle und auch der Selbstbeschränkung der Regierungsmacht. Es ist nur das demokratisch-rechtsstaatliche Selbstverständnis der Organwalter in der Regierung, daß sie die Gesetze einhalten und auch mal wieder abtreten, sei es nach der Wahl oder aus wichtigem Anlaß. Statt wie Lukaschenko mit Polizei und Militär die Stellung zu halten – bis zur Grenze des Bürgerkrieges.

Die Organwalter, das sind die Menschen, die in eine Funktion gewählt oder bestellt worden sind. Ritsch ist nicht Bürgermeister. Er ist ein passiv wahlberechtigter Bürger von Bregenz. Der ist für die aktuelle Funktionsperiode in Direktwahl in das Amt berufen worden. Das Amt ist von seiner Person verschieden. Die Stadt Bregenz gehört ihm nicht. Er ist ein Bediensteter der Stadt. Er ist seinem Arbeitgeber für seine Tätigkeit verantwortlich. Er arbeitet nicht für sich, sondern für die durch die Gemeinde vertretene örtliche Gemeinschaft.

Das war zuletzt bei Ludwig XVI. anders. Er glaubte noch, „l’etat c’est moi“, er sei der Staat. Er starb 1792 auf dem Place de la Révolution. Die französischen Frauen und Männer wollten nicht mehr Untertanen sein. Den Männern und Frauen der Revolution sei Dank. Vive la Liberté! Und es lebe auch die Brüderlichkeit, die die Schwestern einschließt sowie die Gleichheit – vor dem Gesetz.  

Zur Verantwortung der Organwalter gehört in der modernen Demokratie unvermeidlich die Zulassung von Transparenz bei ihrem Handeln in fremdem Auftrag, nämlich dem der in der Gebietskörperschaft vertretenen Gemeinschaft. Welchen Platz hat in Verwaltungs-Angelegenheiten des Staates die Intimsphäre? Schreiben die fast siebenhundert Mitarbeiter des Finanzministeriums ihre Krankengeschichten auf Amtspapier, administrieren ihr Liebesleben mit dem amtlichen Email-Account? Sodaß man die Information für streng geheim erklärt und zögerlich in Kisten liefert, wenn eine mit richterähnlichen Befugnissen ausgestattete Behörde sie einsehen will? Wenn der Kanzler seinen Freundeskreis über Wochen orchestriert und einem sehr guten Freund eine extrem gut dotierte Stelle beim Staat verschafft, ist das dann seine Intimsphäre? Weil seine Freundschaften niemand was angehen? Hat auch niemand Einsicht in die Dokumente? Wenn man ihn dazu befragt, darf er

die Pointe beliebig vergessen oder sich irren? Weil das vermeintlich immer schon so war?

Ein Transparenzgesetz, das seinen Namen verdient, verschaffte ja jeder Frau und jedem Mann das Recht, sich über die Angelegenheiten des Staates zu informieren. Davon sind wir – trotz anderslautender Koalitionsprogramme – noch Lichtjahre entfernt. Die schwammige Formel, es unterliege der Amtsverschwiegenheit, was im Interesse der Gebietskörperschaft oder einer Partei geboten sei, ist inzwischen eine unerträgliche Zumutung.

Aber bei den oben erwähnten Vorgängen geht es nicht um das Informationsinteresse des Bürgers Jedermann, sondern um durch die Verfassung berufene Kontrollorgane mit richterlichen oder gerichtsähnlichen Befugnissen. Den Institutionen, denen wir insgesamt vertrauen können müssen. Außer wir wollen zurück zu einer modernen Version eines vermeintlich väterlich-gütigen Ludwig XVII.

Es ist wahr, das Mißtrauen der Regierenden gegenüber dem unvernünftigen Volk ist nicht neu:

„Der Wahn aller Regierenden, vom Minister bis zum Pedell herab, ist, dass das Regieren ein großes Geheimnis sei, welches dem Volke zu seinem Besten verschwiegen werden müsse.“ Ludwig Börne (ca. 1820).

„Ein gutes Kriterium um die Diskrepanz zwischen dem Ideal und der Realität der Demokratie zu bewerten ist es, festzustellen, welche Teile der politischen Erörterungen und Entscheidungen immer noch Geheimnisse bilden, die die Kunst der Intrige begünstigen.“ Norberto Bobbio (Democrazia e segreto).

Anm.:

L’etat c’est moi: Der Staat bin ich. Vive la liberté: Es lebe die Freiheit. Liberté, Fraternité, Egalité.

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