Wie Ischgl Corona in die Welt exportierte

Von Oliver Natter

Als die Warnungen zum Coronavirus schon überall in Europa kursierten, erschien Ischgl noch wie eine Oase der Gesundheit.

Selbst am 5. März gab es weder eine Warnung noch irgendeine Nachricht der Behörden oder Hoteliers in Ischgl. Dabei hatte Island am 5. März Ischgl als Risikogebiet eingestuft, zusammen mit Wuhan und dem Iran.

Am 29. Februar waren mehrere Isländer, die in Ischgl auf Urlaub waren, positiv am Flughafen in Reykjavic auf Corona getestet worden.

Laut Gesundheitsminister Anschober ging es dann folgendermaßen weiter: „Die Isländer haben die Infizierten unter Quarantäne gestellt, ihre Bewegungsprofile erstellt, die Tiroler haben nach den Namen der Betroffenen gefragt und dann versucht, den Ansteckungsherd auszumachen. Das ist ja eine fast detektivische Arbeit. Ischgl hatte bis dahin keinen bestätigten Covid-19-Fall. Man hatte deshalb und laut Landeshauptmann Platter aufgrund einer Zeugenaussage anfänglich die These, dass beim Rückflug eine erkrankte Person im Flieger die anderen Insassen angesteckt habe. Nachdem man nach den umfassenden Recherchen dann aber die Après-Ski-Bar als Ausgangspunkt eruiert hatte, hat man sie sofort gesperrt. Das war am 9. März.“ (Anschober am 15.3. in einem Interview mit dem Falter)

Eine Zeugenaussage war also Grund genug keinerlei Warnung an die Urlauber zu geben?

Es sei „wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist“, sagte damals Tirols Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber.

Die Party ging weiter und hunderte Urlauber steckten sich mit dem Coronavirus an. Mindestens 130 Menschen in Dänemark haben sich laut dem dänischen Gesundheitsministerium in Ischgl angesteckt. Vor allem traf es aber Deutschland. Ischgl ist bei deutschen Urlauberinnen und Urlaubern sehr beliebt. In Deutschland sind mittlerweile in 20 Landkreisen Ischgl-Infizierte bekannt.

Am 7. März wurde ein aus Deutschland stammender Barkeeper positiv auf das Coronavirus getestet. Der Mann arbeitet in der Après-Ski-Bar Kitzloch. Die beliebte Bar an der Talstation war immer voll.

Am 8. März gab das Land Tirol in einer Medieninformation noch folgende Meldung heraus: „Eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich“ informiert Anita Luckner-Hornischer von der Landessanitätsdirektion Tirol.

Weiters: „Für alle Besucherinnen, die im besagten Zeitraum in der Bar waren und keine Symptome aufweisen, ist keine weitere medizinische Abklärung nötig“. (Quelle Medieninformation Land Tirol 8.3.2020)

Dies war – gelinge gesagt – verantwortungslos und beschönigend.

Erst am 10. März wurden alle Lokale geschloßen. Am 14. März riefen Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer alle Personen, die sich seit dem 28. Februar in Ischgl aufgehalten haben, dazu auf, sich „in häusliche Selbstisolation zu begeben“. 

Die Kritik in den nationalen und internationalen Medien ist sehr groß. Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) wies Montagabend in der ORF-Nachrichtensendung ZIB2 alle Vorwürfe zurück.  Die Fakten sprechen aber gegen seinen Verteidigungsversuch. Ischgl gilt jetzt als Brutstätte Nr. 1 für den Coronavirus in ganz Europa. Der Standard schrieb: „Die Gier hat die Verantwortung für die Gesundheit der Bürger und Gäste besiegt.“

Österreich hat seinen ersten Coronaskandal. Dies darf nicht unter den Tisch gekehrt werden.

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