Von Albert Wittwer
Die Börsen, bedeutende Gradmesser für Reichtum, bewegen sich auf und ab. Bestimmte Krisenereignisse wie Corona oder der Überfall der Putin-Armee auf die Ukraine führen zu drastischen Einbußen. Die Börsen reagieren auf erwartbare Änderungen des Geschäftsklimas vorauseilend, sie bilden Erwartungen ab. Wirtschaftsjournalisten titeln dann gerne: 500 Milliarden Dollar „verbrannt“ oder ähnlich.
Diesen Bewertungen der Aktien entsprechen in der realen Welt zum Teil reale Unternehmungen, sagen wir Nahrungsmittelkonzerne wie Nestle oder Energie-Kunststoffunternehmen wie die OMV. Glücklicherweise sind die Unternehmen, die notwendige Güter und Dienstleistungen erbringen, dann nicht verbrannt, sondern noch da. Daneben gibt es noch Pseudogeld, Derivate, Kryptowährungen, Unterhaltungsdigitalismus und ähnliche Stromfresser.
Weiterer realer Reichtum besteht in Liegenschaften, Immobilien, Infrastruktur, deren Kapital vielfach nicht Aktien, sondern in einer Zahl in der Bilanz ausgedrückt wird, die wenig bedeuten muß. Verkauft man allerdings die Beteiligung, so man einen Käufer findet, gibt es einen Preis oder Wert. Auch diese Unternehmen, vom Zimmermeister bis zur Zahnklinik, erbringen extrem wichtige Leistungen für die Gesellschaft.
Wieviel sind diese Unternehmen wert? Eigentlich nur so viel, wie ein potentieller Käufer für sie zahlt. Die Bilanz gibt vor allem rückblickend Auskunft, wie gut das Geschäft im letzten Jahr gelaufen ist und wieviel Schulden oder Bankguthaben der Betrieb hat.
Die Vermögensbesteuerung hat zuerst das Problem der Bewertung der Substanz, die besteuert wird.
Der Besteuerte hat dann die Wahl, mehr Gewinn aus dem Unternehmen zu nehmen, was die Innovationskraft schwächt, oder jährlich einen kleinen Teil des Unternehmens, eine Teilliegenschaft zu verkaufen, um die Steuerschuld zu begleichen. Bei nicht liegenschaftsgebunden Unternehmen wird das eine Kapitalflucht auslösen.
Die Europäische Union versucht mit dem Mindeststeuersatz von fünfzehn Prozent für Konzerngewinne die Kapitalflucht in Steueroasen zu begrenzen und zu einer gerechteren Verteilung des Steuerkuchens beizutragen. Dieser Mindeststeuersatz ist natürlich noch nicht in Kraft. Ähnlich wie das Lieferkettengesetz.
Vergleichen Sie mal diese Mindeststeuer mit Ihrem persönlichen Steuersatz. Sie sehen, die fünfzehn Prozent sind viel zu wenig. Auch die Dividenden, das sind ausgeschüttete Gewinne, werden in Österreich pauschal mit 27,5 % besteuert. Zuerst bilden die Unternehmen zur Verringerung des zu besteuernden Gewinnes Rücklagen und Investitionen schreiben Investitionen ab. Luca Piacioli, dem Erfinder der doppelten Buchhaltung sei Dank. Vor ihm war die Frage, wie gut ein Unternehmen gewirtschaftet hat, ein noch größeres Rätsel als heute – weil der Substanzverbrauch oder –zuwachs nicht erfaßt war.
Zu alledem kommt: Es haben nach meiner Einschätzung die Börsen die Klimaerwärmung als sich jährlich vergrößernde, sicher eintretende Krise noch überhaupt nicht eingepreist.
Dennoch ist wahr, daß die Vermögensverteilung sich in extremer Schieflage befindet. Das ist vor allem auf die exzessive Besteuerung kleiner und mittlerer Einkommen, die eine Vermögensbildung vereiteln einerseits und auf die Steuerschlupflöcher für große Unternehmen andererseits zurückzuführen. Eine gerechtere Finanzierung der staatlichen Aufgaben sollte auf die Gewinne dieser großen Unternehmen abzielen.
Nach meiner Meinung sollte ein relevanter Teil des realen Vermögens in einer staatlichen Beteiligung bestehen. Es muß nicht immer eine Mehrheitsbeteiligung sein. Erfolgt aber eine schrittchenweise Enteignung von Menschen, die Unternehmensanteile halten, kann man davon ausgehen, daß Vermögenssubstanz verdampft, nicht mehr für Investitionen zur Verfügung steht und von der Regierung im Budget verzehrt wird
Wir erinnern uns an die „Abschleicher“. Als die Europäische Union die Deklarierung von Vermögen der Unionsbürgern in der Schweiz erzwang, sind etwa vierzig Prozent des Vermögens von Österreichern nach Singapur, nach wie vor von Schweizer Banken verwaltet, umgezogen.
Allerdings ist eine intensivierte Staatsbeteiligung nicht in Sicht. Es haben sich die Regierungen seit Schüssel stets damit beschäftigt, wie sie Bundeseigentum unter Freunden privatisieren können. Der Staat könne ja nicht wirtschaften. Das sieht man sehr gut bei der Steuerstundung für Kika-Leiner, wo das in Liegenschaftswerten gebundene Vermögen privat versilbert wurde. Auf den Steuerschulden bleiben, wie üblich, die Arbeiter sitzen.
Rühmliche Ausnahme: Das Land Vorarlberg und seine Energieunternehmen, seit LH Sausgruber im Eigentum des Landes. Allein im Jahre 2022 haben die Illwerke/VKW 54 Millionen Euro an das Land ausgeschüttet.
Namhafte Unternehmen haben erhebliche Mitarbeiterbeteiligungsmodelle eingerichtet. Vorbildlich etwa jene des Vorarlbergers Norbert Zimmermann bei der Berndorf Gruppe. Meistens in Form von Stiftungen, die das ganze Unternehmen halten.
Es gibt auf der Welt durchaus Länder mit einer maßvollen Vermögensbesteuerung, die aus laufenden Einkünften von Investoren bedienbar ist, ohne die Substanz zu gefährden. Aber eine Beseitigung der „Schieflage“ in der Vermögensverteilung wird davon nicht geleistet. Noch häufiger sind Erbschaftssteuern. Die Wirkungen dieser Steuern sind ähnlich wie oben dargestellt.
Was uns die Parteien, die Vermögen besteuern wollen, als erstes erklären sollten, ist: Wird die Besteuerung bloß der Budgetsanierung, der Schuldentilgung des Bundes, dienen? Oder bringen sie die Steuererträge als Vermögenswerte in einen Fond ein, an dem nur die Ärmeren dann beteiligt sind? Oder genügt es, daß die Ärmeren dann relativ reicher sind, weil die Wohlhabenden an Reichtum einbüßen?
PS: Ich vergaß, den norwegischen Staatsfonds zu erwähnen, Aus den Erträgen des Staatsfonds werden alle Pensionen bezahlt, daher müssen die Norweger keine Pensionsbeiträge abliefern.