Ein halbes Jahr, nachdem Schalke 04 sich zurück ins deutsche Fußball-Oberhaus gekämpft hat, ist die Stimmung düster. Der Traditionsverein dümpelt seit geraumer Zeit auf dem letzten Tabellenplatz vor sich hin, und die Stimmen, die schon jetzt den Abstieg prophezeien, sind nicht zu überhören.
In 15 Spieltagen vor der Winterpause haben es die Schalker lediglich auf 2 Siege gebracht. Dem stehen 3 Unentschieden und 10 Niederlagen gegenüber. Etwas Auftrieb haben Fans und Spieler dabei durch den unerwarteten 1:0 Erfolg gegen Mainz am 14. Spieltag bekommen, aber insgesamt erinnert die Lage allzu stark an die Saison 20/21, als Schalke 04 mit 3 Siegen in den 34 Spieltagen als Tabellenletzter in die Zweitklassigkeit stürzte. Der Rücktritt von Sportdirektor Rouven Schröder, erste Zweifel am neuen Trainer Thomas Reis, der das Ruder herumreißen sollte, und vor allem finanzielle Nöte tragen zu der steigenden Frustration im Club und bei den Fans bei. Doch aufgeben will die Hoffnung so schnell keiner, auch wenn bei meisten Bundesliga Wetten auf den Club auf Niederlagen getippt wird. Schalke 04 hat schon des Öfteren Durststrecken erlebt, obwohl kaum eine so dramatisch war wie die Achterbahnfahrt seit dem Sommer 2020. Der damit besiegelte einjährige Aufenthalt in der 2. Bundesliga war der erste Abstieg seit 30 Jahren.
Noch 2017/2018 schien der Meistertitel zum Greifen nah, auch wenn die Schalker, wie fast jeder andere Verein in diesem Jahrtausend sich mit dem 2. Platz hinter Rekordmeister Bayern München begnügen musste. Lediglich 6-Mal gelang es seit 2000 einem anderen Verein, den Bayern die Krone wegzunehmen. Mit 4 Vizemeisterschaften und 3 dritten Tabellenplätzen am Saisonende seit 2003/2004 zählten auch die Schalker durchaus zu den ernstzunehmenden Konkurrenten des reichsten deutschen Spitzenclubs.
Noch ist allerdings auch diese Saison noch lange nicht gelaufen. Ein Sieg unter Reis, der erst am 27.10.2022 das Traineramt von Frank Kramer übernommen hatte, ist immerhin 50 Prozent der Schalker Siege seit dem 1. Spieltag. Während sich die Augen der Fußballwelt auf die bevorstehende Weltmeisterschaft in Qatar richten, hat der Gelsenkirchener Verein Zeit, sich gründlich auf die zweite Hälfte der Saison vorzubereiten. Erstmals ist kein einziger Schalke-Kicker im Kader der deutschen Nationalmannschaft vertreten. Obwohl das ein herber Schlag für die Fans und die Spieler ist, die sich bis zuletzt Hoffnung auf die Auswahl von Bundestrainer Hansi Flick gemacht haben, bedeutet das andererseits eine echte Ruhepause und danach ein intensives Training mit der gesamten Mannschaft mit Ausnahme von Maya Yoshida, der für Japan nach Qatar reist. Diese wichtige Periode fällt für die Clubs, deren Stars anlässlich der ersten Winter-WM in der Fußballgeschichte auf die arabische Halbinsel reisen, deutlich kürzer aus. Dass in den noch ausstehenden Spieltagen jede Menge passieren kann, ist eine Binsenweisheit. Doch die Bundesligageschichte steckt voller überraschender Ergebnisse, in denen sichere Sieger plötzlich zusehen mussten, wie sie in der Tabelle absacken, oder Wackelkandidaten auf einmal einen neuen Aufschwung erlebten.
In der vergangenen Saison galt das für Arminia Bielefeld. Dem Club war der Abstieg oder zumindest die Relegation schon so gut wie sicher, als sich das Blatt wendete und Arminia sich den Klassenerhalt ohne aufreibende Relegation sicherte. Vor allem den Schalkern ist zudem die Rückrunde 20/21 im Gedächtnis geblieben. Während die Gelsenkirchener sich aus dem Tabellenende nicht herausarbeiten konnten, wurde Mainz 05 anfänglich als genauso gefährdeter Kandidat gesehen. Doch der ehemalige Mainzer Profispieler und neue Trainer Bo Svensson schaffte es binnen kurzem, aus dem abstiegsgefährdeten Club, der zu dem Zeitpunkt mit 6 Punkten nach 14 Spieltagen gerade mal 2 Punkte vor Schalke lag, einen Sieger zu machen.
Mainz 05 sicherte sich mit 39 Punkten einen Platz im Mittelfeld, während es für Schalke 04 und Werder Bremen in die Zweitklassigkeit ging. Umso süßer war diesmal der Sieg über Mainz unter Trainer Reis.
Zu den Clubs, die zwischendurch in der 2. Bundesliga gelandet waren und sich mittlerweile wieder gefangen haben, zählt auch der SC Freiburg. In der Saison 2013/2014 konnten sich die Freiburger gar Chancen auf die Champions League machen. Bis zuletzt war die Qualifikation im Rahmen des Möglichen – bis sie im Schlussspiel der Saison mit 1:2 gegen Schalke 04 verloren und sich mit der Europa League begnügen mussten. Die größte Sensation in der Geschichte der Bundesliga geht aber auf das Konto der Roten Teufel vom 1. FC Kaiserslautern. Unter der Führung von Otto Rehhagel wurden die gerade erst wieder in die Erstklassigkeit aufgestiegenen Kicker im Jahr 1998 Deutscher Meister.
Davon können die Schalker nur träumen, aber auch der Weg weg vom Tabellenende wäre bereits Erfolg genug. Vier Punkte trennen sie derzeit vom VfL Bochum, und VfB Stuttgart sowie Hertha BSC sind ihnen 5 Punkte voraus. Wenn auch die Tabellenspitze unerreichbar weit entfernt ist, so sind Relegation oder gar Abstieg noch lange nicht besiegelt, auch wenn die Stimmung zwischendurch düster ist.